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Bevor er Jagt
Blake Pierce


Ein Mackenzie White Krimi #8
Von Blake Pierce, Bestseller Autor von VERSCHWUNDEN (ein #1 Bestseller mit über 900 fünf Sterne Bewertungen) kommt Buch #8 in der aufregenden Mackenzie White Mysterie Reihe. In EHE ER JAGT (Ein Mackenzie White Mystery – Buch 8), tauchen tote Opfer in Heimatstadt von FBI-Spezial Agentin Mackenzie White auf – alle wurden von hinten in den Kopf geschossen und alle tragen die Karte Barker Antiquitäten. Dieselbe Karte die der Mörder ihres Vaters vor Jahren auf seinem Körper hinterlassen hatte. Mit plötzlicher Dringlichkeit in der Gegenwart ist die Zeit endlich für Mackenzie gekommen, um sich ihren Geistern zu stellen, sich ihrer dunklen Vergangenheit zu stellen und den Mörder ihres Vaters zu finden. Aber ihre Reise in ihre Vergangenheit bringt sie an Orte die sie nie sehen und zu Entdeckungen die sie nie machen wollte. Sie spielt Katz und Maus mit einem Mörder, der noch teuflischer ist, als sie sich je vorgestellt hatte und mit ihrer zerbrechlichen Psyche, die zusammenbricht, kann dieser Fall, derjenigen von allen sein, der ihr gut tut. Ein dunkler Psychothriller mit großer Spannung, EHE ER JAGT ist Buch #8 in dieser fesselnden neuen Reihe – mit einem lieb gewonnen neuen Charakter – die Sie bis spät abends lesen lässt. Auch verfügbar von Blake Pierce ist VERSCHWUNDEN (Ein Riley Paige Mystery – Buch #1), ein #1 Bestseller mit über 900 fünf Sterne Bewertungen – und einem kostenlosen Download!







VORHER ER JAGT



(A MACKENZIE WHITE MYSTERY—BUCH 8)



B L A K E P I E R C E


Blake Pierce



Blake Pierce ist Autor der Bestseller RILEY PAGE Mysterie Reihen, die elf Bücher (aufwärts) enthält. Blake Pierce ist ebenfalls Autor der MACKENZIE WHITE Mysterie Reihen, die aus sieben Büchern (aufwärts) besteht; der AVERY BLACK Mysterie Reihen, die aus sechs Büchern besteht; und der neuen KERI LOCKE Mysterie Reihen, die aus vier Büchern (aufwärts besteht).

Als treuer Leser und lebenslanger Fan des Mysterie und Thriller Genres, hört Blake gerne von Ihnen, also besuchen Sie die Seite www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com), um mehr zu lernen und in Kontakt zu bleiben.



Copyright © 2017 durch Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Außer wie im US-amerikanischen Urheberrechtsgesetz von 1976 erlaubt, darf kein Teil dieser Veröffentlichung in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen werden oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem ohne die vorherige Genehmigung des Autors gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Genuss lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch für eine andere Person freigeben möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger eine zusätzliche Kopie. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben oder es nicht für Ihre Verwendung erworben wurde, geben Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dieses Buch ist reine Fiktion. Namen, Charaktere, Geschäfte, Organisationen, Orte, Ereignisse und Ereignisse sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder toten Personen ist völlig zufällig.

Buchumschlagsbild Copyright Will Amey, mit Lizenz von Shutterstock.com


BГњCHER VON BLAKE PIERCE



RILEY PAIGE KRIMI SERIE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKГ–DERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)

ERKALTET (Band #8)



MACKENZIE WHITE KRIMI SERIE

BEVOR ER TГ–TET (Band #1)

BEVOR ER SIEHT (Band #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)

BEVOR ER NIMMT (Band #4)

BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)

EHE ER FГњHLT (Band #6)

BEVOR ER SГњNDIGT (Band #7)

BEVOR ER JAGT (Band #8)



AVERY BLACK KRIMI SERIE

GRUND ZU TГ–TEN (Band #1)

GRUND ZU FLГњCHTEN (Band #2)

GRUND ZU VERSTECKEN (Band #3)

GRUND ZU FГњRCHTEN (Band #4)



KERI LOCKE KRIMI SERIE

EINE SPUR VON TOD (Band #1)

EINE SPUR VON MORD (Band #2)

EINE SPUR VON LASTER (Band #3)


INHALT



KAPITEL EINS (#u5efcc660-cb30-5455-96e8-657f3949056d)

KAPITEL ZWEI (#uec33b079-e1fe-576b-8ef7-a1b5b4bd1d59)

KAPITEL DREI (#u4928c0f2-6ae9-5fd1-bda8-f25dae375c49)

KAPITEL VIER (#u62d7039d-f7a3-55d3-955b-fb90fd60aebf)

KAPITEL FГњNF (#u73f5a97e-e4be-5d82-bda9-2fd256f6dee0)

KAPITEL SECHS (#u3106a26a-5dd7-53b2-b522-019c6f37a598)

KAPITEL SIEBEN (#u6165da61-b5d8-596f-8c0b-06840939456a)

KAPITEL ACHT (#u0761503b-5463-5083-9faf-fc5e148d8266)

KAPITEL NEUN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ELF (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWГ–LF (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL FГњNFZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL SECHSZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHTZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUNZEHN (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL EINUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL VIERUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL FГњNFUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL DREISSIG (#litres_trial_promo)

KAPITEL EINUNDDREIГџIG (#litres_trial_promo)




KAPITEL EINS


Das Flugzeug flog sie nach Nebraska.

Mackenzie zwinkerte und konnte den Gedanken einfach nicht abschГјtteln.

Normalerweise war es kein Problem für sie im Flugzeug zu schlafen. Aber dieser Flug war anders. Es war, als wenn da irgendetwas im Westen dieses Flugzeug wie ein Magnet anzog. Sie würde nicht eher nach Washington DC zurückkehren, ehe sie nicht den aktuellen Fall gelöst hatte, der fast zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurückging – bis zum Tod ihres Vaters.

Es war ein Fall, der sie seit Jahren anzog. Sie war weit über ihre Grenzen gegangen, um sich selbst zu beweisen und McGrath hatte sie endlich auf diesen Fall angesetzt. Es ging nicht länger nur um den ungelösten Mord an ihrem Vater vor siebzehn Jahren; ähnliche Morde traten jetzt auf, alle verbunden mit dem mysteriösen Hinweis, den noch niemand entziffert hatte. Visitenkarten, die den nicht existierenden Geschäftsnamen Barker Antiquitäten zeigten.

Mackenzie dachte über diese Visitenkarten nach, während sie aus dem Fenster schaute. Der Nachmittagshimmel war klar. Jenseits der zerstreuten weißen Wolken konnte sie gerade noch die venenartige Struktur der Straßen erspähen, die sich durch den Mittleren Westen des Gebietes schlängelten. Nebraska war jetzt nah, seine Kornfelder und flache Weiten bahnten sich fünfundvierzig Minuten vor ihnen an.

“Alles Okay?”

Sie blinzelte und schaute vom Fenster weg und drehte sich nach rechts. Ellington saß auf dem Platz neben ihr. Sie wusste, dass er ebenfalls nervös war. Er wusste, wie viel ihr dieser Fall bedeutete und setzte sich unnötig selbst unter Druck. Sogar jetzt war er nervös und fummelte an dem Deckel des Bechers, der vor zehn Minuten noch Ginger Ale enthalten hatte.

„Ja, mir geht es gut“, antwortete sie. „Wenn ich ehrlich bin, kann ich es gar nicht abwarten anzufangen.“

„Hast du schon einen Plan?“, fragte er.

„Habe ich“, sagte sie.

Während sie sich durch ihren Angriffsplan kämpfte, erkannte sie, dass dies einer der Gründe war, warum sie sich in ihn verliebte hatte. Er wusste, dass sie darüber reden musste, aber zumachen würde, wenn er direkt fragen würde. Anstatt sie also über ihren emotionalen Status zu befragen, schob er die Arbeit vor. Sie kannte seine Tricks, aber das war okay. Er wusste, wie er um ihre Abwehr herum fragen konnte, auf eine Art die gleichzeitg, charmant und fürsorglich war.

Sie diskutierten also ihren Angriffsplan. Es begann mit einem Treffen bei der einheimischen Polizeistation und das kleine Team der FBI-Agenten, die an dem Fall arbeiteten. Sie hatte auch geplant Kirk Peterson mit einzubeziehen, der Privatdetektiv, der eine Weile an dem Fall gearbeitet hatte. Obwohl er in einem schlechten Zustand gewesen war, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er den besten Einblick in die Sache.

Dann wollte sie einen Mann mit den Namen Dennis Parks finden und sprechen. Seine Fingerabdrücke waren auf Gabriel Hambry’s Leiche gefunden worden, ein Mann, der vor einer Woche strategisch als Ablenkungsmanöver aufgestellt worden war. Sie war sich bewusst, dass Parks ebenfalls ein weiteres Ablenkungsmanöver sein könnte, aber die Tatsache, dass Dennis Parks einmal ihren Vater gekannt hatte, macht es noch vielversprechender. Die Verbindung war eine kleine – ein gemeinsamer Bekannter wie Parks, hatte ein Jahr als Polizeioffizier gearbeitet, eher er aufhörte und in die Immobilienbranche ging.

Ihr Vater immerhin schien das erste Opfer in einer Reihe von anscheinend wahllosen Morden zu sein, die sich Гјber fast zwei Jahrzehnte hinzogen.

Nach dem Treffen mit Dennis Parks wollte sie die Familie eines Mannes treffen, der vor ein paar Monaten getötet worden war – ein Mann namens Jimmy Scotts. Scotts war fast auf dieselbe identische Weise, wie ihr Vater gestorben und das war der Mord gewesen, der am Ende zum Wiederaufrollen des Falles ihres Vaters geführt hatte.

Sie beendete ihre Pläne dort, obwohl sie wusste, dass da noch mehr war. Aber sie war noch nicht bereit darüber nachzudenken – und erst recht nicht das vor Ellington auszusprechen.

An irgendeinem Punkt musste sie sich ihrer Vergangenheit stellen. Sie war schon einmal dort gewesen, war um das Haus herumgeschlichen, in dem sie aufgewachsen war. Aber das war nur flüchtig gewesen. Zu der Zeit hatte sie es nicht erkannt, aber es hatte ihr Angst gemacht. Es war so, als wenn man bereitwillig in ein Haus geht, von dem man weiß, dass es einen heimsucht, dich sich einsperren lässt und dann den Schlüssel wegwirft.

Sie musste das dieses Mal durchziehen. Es war schwer genug, das sich selbst gegenГјber zuzugeben, ohne sich zu fragen, was Ellington darГјber denken wГјrde.

Er nickte an den richtigen Stellen, während sie ihn durch ihre Schritt für Schritt Annäherung leitete. Sie hatten ihre Rollen in einem Meeting mit McGrath kurz diskutiert, als sie die Reise nach Nebraska gebucht hatten. Ein Element des scheinbar vielschichtigen Falles war der jüngste Mord an Landstreichern. Die Leichen zählten jetzt vier, jede Leiche trug eine der Barker Antiquitäten Visitenkarten.

Ellington hatte sich freiwillig gemeldet, sein Bestes zu geben, um diesen Fall zu einem Ende zu bringen, während Mackenzie näher am Kern des Falles geblieben war – den Mord an ihrem Vater und Jimmy Scott und dem kürzlichen Mord an Gabriel Hambry.

“Weisst du”, sagte Ellington, als sie fertig war, “wenn wir das hier abschließen können, dann wird deine Karriere in DC wahrscheinlich ins Ermessliche steigen. Du bist schon einer der besseren Außenmitarbeiter, die das Büro hat. Ich hoffe, es gefällt dir mit bürokratischem Bullshit zu arbeiten und hinter einem Schreibtisch zu sitzen. Denn das ist es, was dir ein stellarer Rekord im Büro bringt.”

“Ist das so?”, fragte sie. “Warum sitzt du dann noch nicht hinter einem Tisch?”

Er grinste sie an. “Das stinkt, White.”

Er nahm ihre Hand. Sie konnte die Anspannung in seinem Griff fГјhlen, aber da war auch immer ein wenig Beruhigung bei seiner BerГјhrung dabei.

Sie war dankbar, dass er bei ihr war. Obwohl sie normalerweise die Dinge lieber alleine regelte, musste sogar sie zugeben, dass sie die moralische und emotionale Unterstützung, die nur Ellington bieten konnte, brauchen würde, wenn sie irgendeine Hoffnung haben wollte, diesen Fall abzuwickeln. Sie hielten sich weiter aneinander fest, während der Mittlere Westen unter ihnen auftauchte. Nebraska kam näher und näher, das Flugzeug wurde von dem Magnet angezogen, den Mackenzies Vergangenheit über sie zu haben schien.




KAPITEL ZWEI


Die Außenstelle in Omaha war ein netter Anblick. Sie war kleiner, als das Hauptquartier in DC, was hieß, dass es weniger Gesprächspartner gab. Es gab auch nicht die Spannung, das immer etwas am Rande des Geschehens lauerte, eine Eigenschaft, die die Büros in DC normalerweise auslösten. Der Ort fühlte sich ruhig an.

Als sie sich am Empfang gemeldet hatten, bemerkte Mackenzie einen Mann, der direkt auf sie zukam.

Er ging zielstrebig, ein dünnes Lächeln auf dem Gesicht. Sein Gesicht kam ihr bekannt vor, aber sie konnte sich nicht an den Namen des Mannes erinnern.

“Agentin White, es ist schön Sie wiederzusehen”, sagte der Mann, als er sich näherte. Er war fast 2 Meter groß und gut gepflegt. Er war ziemlich schlank, sah aber immer noch einschüchternd aus. Sein glattes schwarzes Haar, ließ ihn ein wenig älter aussehen, als er vermutlich war.

“Gleichfalls”, sagte sie und nahm seine ausgestreckte Hand.

Sie war dankbar, dass Ellington sich an seinen Namen erinnerte und ihn benutzte, als sich die zwei Männer begrüßten. “Agent Penbrook”, sagte er. “Nett Sie wiederzusehen.”

Dann erinnerte sie sich; Agent Darren Penbrook hatte die Leitung an dem Fall, als sie mit der Hoffnung hergeflogen war, Gabriel Hambry festzunehmen – nur um dann innerhalb von einer Stunde herauszufinden, dass er getötet wurde.

“Kommen Sie mit”, sagte Pennbrook. “Es gibt kein großes Meeting, aber es gibt ein paar Details, die Sie wissen müssen …. Einige sind ziemlich neu.”

“Wie neu?”, fragte Mackenzie.

“24 Stunden alt.”

Mackenzie wusste, wie die Dinge in den meisten Abteilungen innerhalb des Büros funktionierten, und nahm an, dass diese hier in Omaha auch nicht anders, als in DC waren. Es war nicht nötig in dem Moment Fragen zu stellen. Während der Fahrt im Fahrstuhl in den zweiten Stock und einem schnellen Gang durch einen Flur, der zu einem abgesperrten Konferenzraum führte, machten die drei Small Talk: Der Flug, das Wetter, wie viel es in DC zu tun gab.

Aber diese Nettigkeiten wurden zerschlagen, als Penbrook sie in den Konferenzraum geleitete.

Er schloss die TГјr hinter ihnen und die Drei standen in einem groГџen Zimmer mit einem eleganten und fein polierten Konferenztisch. Ein Projektor war aufgestellt und bereit zum Einsatz in der Mitte des Tisches.

“Also, von welchen Updates haben Sie gesprochen?”, fragte Mackenzie.

“Naja, Sie wissen ja von dem vierten ermordeten Landstreicher, oder?”, fragte er.

“Ja. Das ist gestern passiert, oder? Irgendwann nachmittags?”

“Das ist richtig”, sagte Penbrook. “Er wurde mit derselben Waffe getötet, mit denen auch die anderen getötet wurden. Dieses Mal hatte der Mörder die Visitenkarte zwischen die Lippen des Opfers gesteckt. Wir haben die Karte untersucht und es gab keine Fingerabdrücke. Der Landstreicher war nicht von hier. Seine letzte bekannte Adresse war in Kalifornien und das war vor vier Jahren. Die Suche nach Familienmitgliedern oder Arbeitskollegen ist erfolglos gewesen. Und das war bei den meisten der Landstreicher der Fall. Wir haben aber seinen Bruder gefunden. Er ist ebenfalls obdachlos und laut den Berichten hat er wohl leichte Wahnstörungen.”

“Gibt es noch etwas anderes?”, fragte Ellington.

“Ja und das ist wirklich ätzend. Es wirft uns in eine Schlaufe und im Moment ist der Fall dort festgefahren. Erinnern Sie sich an die Fingerabdrücke, die wir von Gabriel Hambry’s Leiche bekommen haben?”

“Ja”, sagte Mackenzie. “Sie gehörten einem Mann namens Dennis Parks – ein Mann der eine Geschichte mit meinem Vater hat.”

“Genau. Hörte sich nach einem vielversprechenden Hinweis an, oder?”

“Ich nehme an, das heißt der Hinweis ist hinfällig?”, fragte Mackenzie.

“Er hatte nie eine Chance. Dennis Parks wurde heute Morgen tot in seinem Bett aufgefunden. Von hinten in den Kopf geschossen. Seine Frau wurde ebenfalls getötet. Soweit ich weiß, wurde sie auch im Bett getötet, aber ihre Leiche wurde auf das Sofa gelegt.”

Penbrook und Ellington schauten Mackenzie an. Sie wusste, was sie dachten. Der Mörder hat es so aussehen lassen, wie der Tatort bei Jimmy Scotts … wie beim Mord meines Vaters.

Penbrook nahm sich einen Moment Zeit, um eine Folie vom Tatort zu zeigen. Sie zeigten Dennis Parks, der mit dem Gesicht nach unten im Bett lag, sein Hinterkopf war ausgeblasen. Die Positionierung davon war schon fast zu unheimlich für Mackenzie. Wenn sie nicht die Identität des Opfers gekannt hatte, hätte sie leicht denken können, dass sie auf ein Foto vom Tatort ihres Vaters schaute.

Die Folie wechselte dann zu einem Bild der Frau. Sie lag auf dem Sofa, ihre toten Augen starrten leicht nach oben. Da war getrocknetes Blut auf der Seite ihres Gesichts.

“War da eine Visitenkarte am Tatort?”, fragte Mackenzie.

“Ja”, antwortete Penbrook. “Auf dem Nachttisch. Und nur damit Sie einen Überblick bekommen, hier ist ein Bild von dem letzten Landstreicher Tatort.”

Er veränderte die Folie und Mackenzie schaute auf einen Mann, der auf dem Bürgersteig einer Stadt lag. Die Seite seines Kopfes war ein blutiges Durcheinander und stand fast im perfekten Kontrast zu der weißen Visitenkarte, die teilweise zwischen seine Lippen geschoben war.

“Sieht so aus, als wenn der Mörder an diesem Punkt Spaß hat”, sagte Ellington. “Das ist ein totales Durcheinander.”

Er hatte recht. Mackenzie war sich sicher, dass es schon fast von spielerischer Natur war, wie die Karte im Mund des Opfers platziert worden war. Zusätzlich zu der Tatsache, dass der Mörder anscheinend Fingerabdrücke auf den Karten und anderen Opfern hinterlassen hatte, um sie auf falsche Spuren zu führen und das bedeutete, sie hatten es mit einem entschlossenen, klugen und morbiden Mörder zu tun.

Er glaubt, er ist lustig, dachte sie, während sie sich das Foto des Opfers anschaute.

“Warum wählt er also Landstreicher zum Morden?”, fragte Mackenzie. “Wenn er nach so langer Zeit zurückkommt, um noch mehr zu morden, nachdem er meinen Vater getötet hat, warum jetzt die Landstreicher? Und gibt es irgendeine Verbindung zwischen den Landstreichern und Jimmy Scotts oder Gabriel Hambry?”

“Keine, die wir gefunden haben”, sagte Penbrook.

“Vielleicht reibt er es uns unter die Nase”, sagte Mackenzie. “Vielleicht weiß er, dass Morde von Landstreichern nicht so eine hohe Priorität haben, als wenn er jeden Tag Bürger tötet. Und wenn das der Fall ist, dann macht er das wirklich als einen schon fast spielerischen Akt.”

“Das über die Landstreicher Gemeinde”, sagte Ellington. “Wenn wir herumfragen, glauben Sie wir bekommen irgendeine Art von Informationen von anderen Landstreichern in der Gegend?”

“Oh, das haben wir versucht”, sagte Penbrook. “Aber sie reden nicht. Sie haben Angst, dass wer auch immer die Morde macht, sie als Nächstes dran nimmt, wenn sie reden.”

“Wir müssen mit dem Bruder des letzten Opfers sprechen”, sagte Mackenzie. “Haben Sie eine Ahnung, wo er sich aufhält? Lebt er hier irgendwo in der Nähe?”

“So ähnlich”, sagte Penbrook. “Wie sein Bruder lebt er auf der Straße. Naja, er hat auf der Straße gelebt. Jetzt ist er in einer Justizvollzugsanstalt. Ich weiß nicht mehr wieso, aber vielleicht wegen öffentlichem Ärgernis. Sein Strafregister ist voll von kleinen Verfehlungen, die ihn für eine Woche oder zwei ins Gefängnis schicken. Das passiert oft, wissen Sie. Manche machen das auch nur, um ein paar Tage lang ein Dach über dem Kopf zu haben.”

“Gibt es ein Problem, wenn wir ihn besuchen?”, fragte Mackenzie.

“Nein überhaupt nicht”, sagte Penbrook. “Ich lasse jemanden dort anrufen und Bescheid sagen, dass sie kommen.”

“Danke.”

“Ich sollte, Ihnen danken”, sagte Penbrook. “Wir freuen uns, dass Sie endlich hier sind und an dem Fall arbeiten.”

Endlich dachte sie. Sie sagte nichts und lieГџ es so stehen.

Tatsächlich war sie ebenfalls aufgeregt. Sie war aufgeregt, endlich die Möglichkeit zu haben, den wirklich bizarren Fall, der bis in ihre Kindheit zurückging und direkt zu ihrem Vater lief, aufzuklären.




KAPITEL DREI


Die Delcroix Justizvollzugsanstalt lag zurückgezogen an der Autobahn auf einem Stück Land, das langweilig und charakterlos aussah. Es war das einzige Gebäude auf dem Gebiet mit ungefähr fünfhundert Hektar Land – nicht ein Gefängnis per se, aber bestimmt nichts, wo eine normale Person abseits der Straße längere Zeit verbringen wollte.

Mackenzie und Ellington wurden durch den kleinen Sicherheitsbereich am Eingang gewunken und dazu angehalten, auf dem Parkplatz fГјr Angestellte am Ende des GrundstГјcks zu parken. Von dort traten sie durch die Sicherheitskontrolle und wurden in einen kleinen Wartebereich gebracht, wo bereits eine Frau auf sie wartete.

“Agenten White und Ellington?”, fragte sie.

Mackenzie schГјttelte ihr zuerst die Hand, als sie sich vorstellten. Der Name der Frau war Mel Kellerman. Sie war ziemlich klein und ein wenig Гјbergewichtig, aber hatte dennoch das Auftreten einer Frau, die schwere Zeiten hinter sich hatte und der man ins Gesicht gelacht hatte.

Während Kellerman sie aus dem Wartebereich führte, gab sie ihnen einen kurzen Überblick über den Ort.

“Ich bin Sicherheitsadministratorin”, sagte sie. “Als diese kann ich Ihnen sagen, dass der Mann wegen dem sie hier sind, keine Bedrohung darstellt. Sein Name ist Bryan Taylor. Fünfzig Jahre alt und ein ehemaliger Heroinabhängiger. Er redet manchmal mit Menschen, die nicht da sind. Sein Strafregister ist gering, aber er bleibt auf unserem Radar, weil dies das Vierzigste kleine Verbrechen ist, dass er im letzten Jahr verübt hat. Wir glauben, er macht das nur, damit er ein Zimmer und Essen bekommt.”

“Und was war sein letztes Verbrechen?”, fragte Mackenzie.

“Er hat an die Hinterräder eines Stadtbusses gepinkelt, mitten am Tag.”

Ellington kicherte. “War er betrunken?”

“Nein”, sagte Kellerman. “Er sagte nur, er musste halt wirklich mal.”

Sie führte sie eine kleine Halle herunter und dann einen noch kleineren Korridor. Am Ende kamen sie zu einer Tür, die Kellermann für sie öffnete. Das Zimmer enthielt nur einen Tisch und fünf Stühle. Ein zerzaust aussehender Mann saß auf einem der Stühle, während ein Mann in Sicherheitsuniform auf einem anderen sass. Der Wachmann drehte sich um, als sie kamen, und stand sofort auf.

“Hat Herr Taylor Ihnen irgendwelche Probleme gemacht?”, fragte Kellermann den Wachmann.

“Nein. Aber er schimpft. Die Russen und Trump wieder.”

“Ah, eines meiner Lieblinge”, erwiderte Kellermann. Sie drehte sich zu Mackenzie und Ellington. “Ich bin nebenan, wenn Sie mich brauchen. Aber ich denke, Sie kommen klar.”

Damit gingen Kellermann und der andere Wachmann aus dem Zimmer und lieГџen sie mit Bryan Taylor alleine zurГјck.

“Hallo, Herr Taylor”, sagte Mackenzie, während sie ihm gegenüber Platz nahm. “Hat man Ihnen gesagt, warum wir kommen?”

Taylor nickte traurig mit seinem Kopf. “Ja. Sie wollen etwas von meinem Bruder wissen – wie er gestorben ist.”

“Das ist richtig”, sagte Mackenzie. “Es tut mir leid für Ihren Verlust.”

Taylor zuckte nur mit den Achseln. Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch und sah zwischen Mackenzie und Ellington hin und her.

“Naja, ich bin Agentin White und das ist mein Partner Agent Ellington”, sagte Mackenzie.

“Ja, ich weiß. Vom FBI”, sagte er und rollte dabei seine Augen.

“Herr Taylor … bitte erzählen Sie uns …hatte Ihr Bruder irgendwelche Feinde? Irgendwelche Menschen, die etwas gegen ihn hatten?”

Taylor dachte kaum darüber nach, ehe er antwortete: “Nein. Nur unsere Mutter und die ist jetzt seit sieben Jahren tot.”

“Standen Sie Ihrem Bruder nahe?”

“Wir waren nicht die besten Freunde oder so”, erwiderte Taylor. “Aber wir haben uns gut verstanden. Er hat mit ein paar zwielichtigen Idioten abgehängt. Ich war ehrlich gesagt, nicht zu überrascht, zu hören, dass er gestorben ist. Diese Illuminati Typen haben etwas gegen Obdachlose. Die Berühmten auch. Sie wissen, dass sie auch Kennedy getötet haben, oder?”

“Ich habe davon gehört”, sagte Ellington und konnte kaum sein Grinsen unterdrücken.

Mackenzie trat ihn unter dem Tisch auf den FuГџ und gab sich MГјhe weiter zu machen.

“Hatten Sie andere Freunde, die kürzlich ermordet worden sind?”, fragte sie.

“Ich glaube nicht. Aber ich hänge auch nicht oft mit denselben Leuten rum. Auf der Straße bedeuten mehr Leute auch mehr Menschen, die dich abzocken können.”

“Noch eine weitere Frage, Herr Taylor”, sagte Mackenzie. Haben Sie jemals von einem Geschäft namens Barker Antiquitäten gehört?”

Er brauchte auch nicht lange, um diese Frage zu beantworten. “Nein. Kann ich nicht sagen. Habe noch nie einen Fuß in Antiquitäten Läden gesetzt. Ich habe kein Geld, das ich an alte verstaubte Relikte verschwenden kann. Nur verrückte reiche Leute besitzen solche Läden. Und gehen da auch einkaufen.”

Mackenzie nickte und seufzte. “Naja, danke für Ihre Zeit und Mitarbeit, Herr Taylor. Ich würde Sie bitten, wenn Ihnen noch irgendetwas über ihren Bruder einfällt, etwas das uns helfen kann, herauszufinden, wer ihn getötet hat, lassen Sie es jemanden der hier arbeitet wissen, sodass derjenige uns die Information weiter geben kann.”

“Oh, ja, das werde ich tun. Wissen Sie … vielleicht sollten Sie nach Nevada fahren. Ich bin mir sicher, Sie finden dort einige Antworten.”

“Nevada?”, fragte Mackenzie. “Warum?”

“Bereich 51. Groom Lake. Es sind nicht die Illuminati, aber jeder kennt die geheimen Regierungsorte, die sich seit Jahren die Obdachlosen krallen. Sie machen Experimente und testen sie da draußen in der Wüste.”

Mackenzie drehte sich um, ehe Taylor ihr Grinsen sehen konnte. Basierend auf dem, was sie Гјber ihn wusste, wusste sie, dass ihm ein paar Tassen im Schrank fehlten. Ellington dagegen war nicht in der Lage so professionell zu sein.

“Guter Tipp, Herr Taylor. Wir werden uns das bestimmt anschauen.”

Als sie den Ausgang erreichten, stupste Mackenzie ihn an und lehnte sich nah genug an ihn, um zu flüstern. “Das war grenzwertig gemein”, sagte sie.

“Wie meinst du das? Ich habe nur versucht, ihm das Gefühl zu geben, dass er rechtmäßig zu den Ermittlungen beigetragen hat.”

“Du kommst in die Hölle”, sagte sie lächelnd.

“Oh, ich weiß. Bestimmt zusammen mit den Illuminati.”



***



Als sie zurück zum Auto gingen, hatte Mackenzie bereits begonnen, ihren nächsten Schritt zurechtzulegen. Es fühlte sich solide an und gleichzeitig konnte sie nicht verstehen, warum es ein Weg war, der noch nicht gründlich genug vom Büro untersucht worden war.

“Weisst du, Taylor hat da tatsächlich einen guten Punkt angesprochen”, sagte Mackenzie.

“Ja?”, fragte Ellington. “Das muss mir entgangen sein.”

“Er hat davon gesprochen, wie diese Obdachlosen Gemeinden ziemlich eng miteinander verbunden sind. Ich glaube, das Büro war so besorgt darüber, wie die Landstreicher miteinander verbunden sein können, dass sie ernsthaft nicht darüber nachgedacht haben, dass Menschen wie Jimmy Scotts und Gabriel Hambry vielleicht irgendwie mit ihnen verbunden waren.”

Sie stiegen ins Auto, Ellington setzte sich dieses Mal auf den Fahrersitz. “Naja, aber das stimmt nicht. Obdachlosenunterkünfte und Suppenküchen wurden kontaktiert, um zu sehen, ob einer der Männer irgendeine Verbindung zu dieser Art von Ort hatte.”

“Genau”, sagte Mackenzie. “Man hat angenommen, dass sie auf irgendeine Art mit den Landstreichern verbunden wären, die über den Landstreichern steht. Vielleicht ist da noch etwas anderes.”

“Was zum Beispiel? Glaubst du Scotts und Hambry waren irgendwann einmal obdachlos?”

“Keine Ahnung. Aber sagen wir mal, das waren sie. Das reicht für eine Verbindung und würde uns sagen, dass dieser Mann, aus welchem Grund auch immer, nur auf Landstreicher aus ist.

“Das lohnt sich darüber nachzudenken”, sagte Ellington. “Aber das führt mich zu einer weitaus interessanteren Frage: Warum?”

“Naja, erstens lass uns mal sichergehen, dass ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehne.”

“Wie?”

“So wie ich in den Berichten gelesen habe, hat Gambriel Hambry keine nächsten Angehörigen. Die einzige Familie, die er hatte sind Großeltern, die in Maine leben. Aber Jimmy Scotts hatte eine Frau und zwei Kindern in Lincoln.”

“Und da willst du rausfahren?”, fragte Ellington.

“Naja, wenn man den Ort in Betracht zieht, an den ich danach gehen will und der über sechs Stunden entfernt ist … ja ich glaube, wir sollten dort starten.”

“Sechs Stunden entfernt? Wo zum Teufel willst du hin? Zur anderen Seite des Staates?”

“Ja, genau. Morrill County. Eine kleine Stadt namens Belton.”

“Was ist da?”

Mackenzie musste einen kleinen Schauer unterdrücken und sagte: “Meine Vergangenheit.”




KAPITEL VIER


Sie verbrachten die Fahrt nach Lincoln damit, mögliche Theorien hin und herzuschieben. Warum tötete er Landstreicher? Warum hatte er so lange gewartet, um wieder mit dem Morden zu beginnen? Warum Ben White, Mackenzies Vater? Gab es noch andere vor Ben White, die einfach nicht entdeckt wurden?

Es gab viel zu viele Fragen und quasi keine Antworten. Und während Mackenzie es normalerweise hasste zu spekulieren, war das manchmal das einzige Werkzeug, was nützlich war, wenn die echte Welt nichts bot. Es schien sogar jetzt noch nötiger, dass sie in Nebraska war. Es war ein täuschend großer Staat und ohne solide Hinweise, war Spekulation das Einzige was sie hatten.

Es gab einen Hinweis, aber das schien ein Phantom zu sein: eine Visitenkarte mit dem Namen eines nicht existierenden Geschäfts darauf. Was ihnen nicht weiterhalf.

Mackenzie dachte weiter über die Visitenkarte nach, während sie nach Lincoln fuhren. Es musste einen Zweck daran geben, auch wenn es nichts weiter war, als ein ausgearbeitetes Rätsel, von dem der Mörder wollte, dass sie es aufdeckten. Sie wusste, dass ein paar Leute in DC beständig versuchten, solch einen Code zu knacken (wenn es einen gab, der geknackt werden musste), aber sie hatten noch keine Ergebnisse gebracht.

Die Visitenkarte auf jeder Leiche zeigte bis jetzt eine neckende Schlussfolgerung: Der Mörder wollte sie wissen lassen, dass jeder Mord sein Werk war. Er wollte die Behörden weiter zählen lassen, sie wissen lassen, für was er verantwortlich war. Das sprach für einen Mörder, der nicht nur stolz darauf war, was er tat, sondern der das FBI tatsächlich im Kreis laufen ließ, um ihn zu finden.

Dieser Frust war in Mackenzies Gedanken, während Ellington ihr Auto vor dem Haus der Scotts parkte. Sie lebten in einem Haus der oberen Mittelklasse in der Art von Nachbarschaft, wo alle Häuser ähnlich gebaut waren. Die Rasen waren perfekt getrimmt und sogar als sie aus dem Auto stiegen und zur Vordertür der Scotts gingen, entdeckte Mackenzie zwei Hunde, die von ihren Herrchen ausgeführt wurden, die damit beschäftigt waren, durch ihre Handys zu scrollen, während sie liefen.

Basierend auf den Akten des Falles kannte Mackenzie einige Eckdaten über die Frau von Jimmy Scotts. Sie arbeitete von zu Hause aus, als eine technische Schreiberin für eine Software Firma und ihre Kinder waren jeden Tag bis 15:45 Uhr in der Schule. Sie war einen Monat nach Jimmys Tod nach Lincoln gezogen, weil sie sagte, das alles in Morrill County nichts weiter als eine zerstörende Erinnerung an das Leben war, dass sie einmal mit ihrem Mann gelebt hatte.

Es war 15:07 Uhr, als Mackenzie an die Tür klopfte. Sie würde das gerne erledigen, ohne die Kinder in Gespräche und Erinnerungen an ihren verstorbenen Vater zu ziehen. Laut den Berichten hatte das älteste der beiden Mädchen, eine vielversprechende Juniorin in der High School, den Tod besonders schwer aufgenommen.

Eine auffallend schöne Frau im mittleren Alter öffnete die Tür. Sie sah zuerst ein wenig überrascht aus, aber dann, vielleicht nachdem sie ihre Kleidung gesehen hatte, schien sie zu verstehen, wer auf ihrer Türschwelle stand und warum sie da waren.

Sie runzelte ein wenig die Stirn, ehe sie fragte: “Kann ich Ihnen helfen?”

“Ich bin Agentin White und das ist Agent Ellington vom FBI”, sagte Mackenzie. “Ich muss mich entschuldigen, aber ich hoffte, Sie könnten uns ein paar Fragen über Ihren Ehemann beantworten.”

“Im Ernst?”, fragte Kim Scott. “Ich habe das hinter mir gelassen. Und meine Töchter auch. Ich möchte nicht noch einmal darüber sprechen, wenn es irgendwie geht. Also danke, aber nein.”

Sie wollte die TГјr schlieГџen, aber Mackenzie hielt eine Hand dazwischen. Sie hielt die TГјr vom schlieГџen ab, mit nur wenig Kraftaufwand.

“Ich verstehe, dass Sie sich Mühe geben, das alles hinter sich zu lassen”, sagte sie. “Leider macht der Mörder das nicht. Er hat, seitdem Ihr Mann getötet wurde, noch mindestens fünf weitere Menschen getötet.” Fast schloss sie die Tatsache, dass er auch ihren Vater vor fast 20 Jahren getötet hatte, mit ein, aber dann entschied sie sich, dass für sich zu behalten.

Kim Scotts öffnete die Tür wieder. Statt sie einzuladen, kam sie aber auf die Veranda. Mackenzie hatte diese Herangehensweise schon vorher gesehen. Kim hatte gewählt, jedes Gespräch über ihren toten Mann außerhalb ihrer vier Wände zu führen.

“Wie kann ich Ihnen helfen?”, fragte Kim. “Ich hab das mindestens drei Mal durchgemacht, nachdem Jimmy gestorben ist. Ich habe keine neue Information.”

“Das Büro aber”, erwiderte Mackenzie. “Nach Ihrem Mann und einem weiteren, scheint es, dass der Mörder sein Interesse auf Landstreicher gelegt hat. Er hat vier getötet, wie wir bis jetzt wissen. Wissen Sie, ob Jimmy vielleicht irgendwelche Verbindungen zur Obdachlosengemeinde hatte?”

Diese Frage schien sie ehrlich zu verblüffen. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war verwirrt und verärgert. “Nein. Das Nächste was man in Verbindung mit Obdachlosen bringen kann, war dass er seine Kleidung, die er nicht mehr mochte, der Heilsarmee übergeben hat. Wir machen das zwei Mal im Jahr, um Platz im Kleiderschrank zu schaffen.

“Was ist mit den Menschen, mit denen er gearbeitet hat? Wissen Sie, ob irgendeiner von ihnen vielleicht Verbindungen mit obdachlosen Menschen hatte oder vielleicht mit welchen, die bedürftigt sind?”

“Ich bezweifel das. Es waren nur er und der andere Mann, die die kleine Marketing Firma betrieben haben. Verstehen Sie mich nicht falsch … Jimmy war immer ein teilnahmsvoller Mann aber er – wir beide, wenn man es so sieht, haben uns nie gesellschaftlich engagiert.

Mackenzie suchte und suchte nach einer neuen Frage, aber ihr fiel nichts ein. Sie war jetzt ziemlich sicher, dass Jimmy Scotts zufällig ausgewählt wurde. Kein Grund, kein Motiv, nur das Pech, vom Mörder gesehen und anscheinend verfolgt zu werden. So nahm sie an, dass vielleicht die Morde von Gabriel Hambry, Dennis Parks und ihrem Vater ebenso zufällig waren.

Naja vielleicht auch nicht. Es gibt eine Verbindung zwischen meinem Vater und Dennis Parks. Wenn sie also nicht zufällig sind, warum sollten es die anderen sein?

“Was ist mit Ihren Töchtern?”, fragte Ellington und nahm den Faden wieder auf. “Sind sie vielleicht in irgendeiner Art Gemeinde Projekt in der Schule oder so involviert?”

“Nein”, erwiderte Kim. Der Blick auf ihrem Gesicht machte klar, dass es ihr nicht gefiel, ihre Töchter in dem Licht des Mörders zu sehen.

“Sie haben erwähnt, dass Ihr Mann mit ein paar Freunden in einer Marketing Firma gearbeitet hat. Wissen Sie, ob sie jemals Kunden hatten, die vielleicht mit einer Art Gemeindearbeit verbunden waren?”

“Das weiß ich nicht. Wenn, dann wäre das ein kleines Projekt gewesen. Jimmy hat nur über die großen Projekte gesprochen. Aber wenn Sie wollen, ich habe Kopien von all ihren Rechnungen. Das ist irgendwie alles an mir hängen geblieben, als er gestorben ist. Ich kann sie holen, wenn Sie wollen.”

“Das wäre hilfreich”, sagte Mackenzie.

“Einen Moment, bitte”, sagte Kim. Sie ging hinein und schloss die Tür hinter sich und bat sie immer noch nicht herein.

“Guter Einfall mit den Kunden”, sagte Ellington. “Glaubst du, da kommt was bei raus?”

Sie zuckte mit den Schultern. “Das kann nicht schaden.”

“Das kann aber viel Arbeit bedeuten”, wies er darauf hin.

“Ja. Aber so haben wir auf der sechstündigen Fahrt nach Morrill County etwas zu tun.”

“Witzig.”

Kim kam wieder auf die Veranda, fünf große Ordner, alle zusammen gestapelt und mit Bindemitteln und einem riesigen Gummiband an Ort und Stelle gehalten. “Um ehrlich zu sein”, sagte sie, “bin ich froh die loszuwerden. Aber wenn das nicht zu viel ist, könnten Sie mir Bescheid sagen, wenn Sie etwas finden? Ich habe zwar versucht seinen Tod hinter mir zulassen, aber das heißt nicht, dass das ganze Geheimnis darüber mich manchmal nicht verrückt macht.”

“Natürlich”, sagte Mackenzie. “Frau Scotts, vielen Dank für Ihre Zeit und Mitarbeit.”

Kim nickte ihnen beiden zu und stand da, während sie die Stufen nach unten gingen und in Richtung Auto liefen. Mackenzie konnte die Augen der Witwe auf sich fühlen, die sichergehen wollte, dass ihr verstorbener Ehemann nicht in ihrem Haus erwähnt wurde. Kim entspannte ihre Haltung nicht, ehe Mackenzie und Ellington wieder im Auto saßen.

“Arme Frau”, sagte Ellington. “Glaubst du, sie schaut wirklich nach vorne?”

“Vielleicht. Sie sagt, sie macht weiter, aber sie wollte uns nicht in ihr Haus lassen. Sie wollte seinen Tod dort nicht erwähnt haben.”

“Aber gleichzeitig”, sagte er, und hob die Ordner hoch, die sie bekommen hatten, “schien sie froh, die loszuwerden.”

“Vielleicht wollte sie auch die Erinnerung von ihm aus dem Haus haben”, antwortete sie.

Sie fuhren vom Haus weg, das Auto fuhr in Richtung Interstate. Sie waren beide ruhig, schon fast in respektvoller Ruhe der trauernden Witwe gegenГјber, mit der sie gerade gesprochen hatten.



***



Sie kamen gerade wieder im Büro an, als die neun bis fünf Uhr Mitarbeiter Feierabend machten. Mackenzie fragte sich, wie es wohl war, wenn eine Uhr die Zeit bestimmte, anstelle der drückenden Sorgen, die mit den traurigen Fällen, mit denen sie oft genug zu tun hatte, kamen. Sie glaubte nicht, dass sie damit umgehen könnte.

Sie und Ellington trafen sich mit Penbrook in demselben Konferenzraum, den sie am Morgen genutzt hatten. Es war ein langer Tag gewesen, der frühe Flug von DC hatte viel dazu beigetragen. Aber da sie den nächsten Schritt in ihrem Vorgehen kannte, war Mackenzie voller Energie und bereit wieder loszufahren.

Sie berichteten Penbrook über ihr Gespräch mit Kim Scotts und nahmen sich Zeit die Rechnungen durchzulesen, die sie bekommen hatten. Das war schnell erledigt, fast schon eine verpflichtende Art von Übung.

“Was war hier los?”, fragte Ellington. “Irgendwelche Entwicklungen?”

“Nein”, sagte Penbrook. “Um ehrlich zu sein, ich würde gerne hören, was Sie haben. Ich verstehe, dass ihnen der Fall sehr nah ist, Agentin White. Was ist Ihr nächster Schritt?”

“Ich will nach Morrill County fahren. Dort wurden mein Vater und Jimmy Scotts getötet. Und da der Tod meines Vaters anscheinend der Erste in der Reihe war, glaube ich, ist das der beste Ort zum Anfangen.”

“Und nach was suchen Sie genau?”, fragte Penbrook.

“Ich weiß noch nicht.”

“Aber lassen Sie sich davon nicht täuschen”, sagte Ellington zu ihm. “Sie bringt immer die besten Ergebnisse, wenn sie keine Ahnung hat, wonach sie sucht.”

Sie warf ihm ein verschlagenes Lächeln zu und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Penbrook zu. “Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, die Belton heißt. Dort werde ich anfangen. Ich werde den nächsten Schritt kennen, wenn er sich zeigt.”

“Wenn Sie das tun wollen, werde ich Sie nicht davon abbringen”, meinte Penbrook. “Aber Morrill County ist naja …. Sechs Stunden entfernt?”

“Es macht mir nichts zu fahren”, sagte sie. “Das ist in Ordnung.”

“Wann werden Sie fahren?”

“Schon bald. Wenn ich hier um sechs draußen bin, dann bin ich um Mitternacht in Belton.”

“Na dann, gute Fahrt”, sagte Penbrook. Er schien enttäuscht und ein wenig sauer. Mackenzie nahm an, dass er anscheinend den Eindruck hatte, dass sie und Ellington an seiner Seite bleiben würden, bis dieser Fall aufgeklärt war.

Penbrook gab sich keine Mühe seine Gefühle zu verstecken und ging zur Tür. Er schaute kaum über seine Schulter, als er oberflächlich winkte. “Lassen Sie uns wissen, wenn Sie etwas brauchen.”

Als Penbrook die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ließ Mackenzie ein Seufzen hören. “Wow”, sagte sie. “Der hat das wirklich nicht gut aufgenommen, oder?”

Ellington nahm sich einen Moment Zeit, um seine Antwort zu überdenken. Als er endlich etwas sagte, war seine Stimme leise und bedächtig. “Ich glaube, ich weiß, woher das kommt.”

“Wie das?”, fragte Mackenzie.

“Die kürzlichen Morde sind alle um Omaha herum passiert. Auf die andere Seite des Staates zu fahren, scheint ein sinnloser Gang.”

“Alles begann dort”, sagte sie. “Das macht nur Sinn.”

Sie konnte sehen, dass er aus seinem Sitz aufstehen und zu ihr kommen wollte – um sie vielleicht zu umarmen oder ihre Hände zu nehmen. Aber er arbeitete schwer daran, eine Linie zwischen Professionalismus und ihrem Liebesleben zu ziehen. Daher blieb er sitzen.

“Hör zu”, sagte er. “Ich verstehe, wie viel dir dieser Fall bedeutet. Und ich kenne dich gut genug, dass ich weiß, dass du nicht aufhören wirst, ehe das hier erledigt ist. Und wenn du nach Belton fahren willst, dann solltest du das tun. Aber … ich glaube, vielleicht sollte ich besser hier bleiben.”

Sie hatte nie darГјber nachgedacht, alleine in ihre Heimatstadt zu fahren. Sie hatte das vor weniger als einem Jahr gemacht, aber das war anders gewesen. Damals hatte sie nicht die UnterstГјtzung von Ellington gehabt, auf die sie zurГјckgreifen konnte.

Anscheinend zeigte sich ihre Verletztheit und Enttäuschung auf ihrem Gesicht, den Ellington stand von seinem Stuhl auf. Er kam zu ihr und trat direkt vor ihr. Er nahm eine ihrer Hände und hielt sie sanft.

“Ich will gehen. Wirklich. Aber wir haben diesen Fehler schon einmal gemacht. Wir sind wo hingefahren, dass nicht das Zentrum der Ermittlungen war, nur um hinterher, als wir zurückgekommen sind herauszufinden, dass etwas Schlimmes passiert ist. Daher glaube ich, können wir uns das nicht noch einmal leisten. Wenn du glaubst, dass du nach Morrill County fahren musst, dann fahr. Aber ich glaube, ich muss hier im Außenbüro bleiben. Auch wenn ich mich jetzt wie ein Arsch anhöre … dieser Fall dreht sich nicht nur um deinen Vater. Es gibt mehrere Leichen hier in Omaha. Neuere.”

Und natürlich hat er recht, dachte sie. Aber gleichzeitig … warum verlässt er mich, wenn ich ihn am meisten brauche?

Sie nickte dennoch. Sie wollte jetzt nicht die Dramaqueen spielen. Oder überhaupt jemals, wenn sie sich zusammenreißen konnte. Außerdem … warum sollte sie wütend auf ihn sein, weil er erfolgreich ihre professionelle Beziehung von ihrer emotionalen getrennt hielt? Sie machte auf jeden Fall keinen guten Job dabei im Moment.

“Das macht Sinn”, sagte sie. “Vielleicht kannst du die Straßen überprüfen und mit den anderen Landstreichern sprechen.

“Das habe ich mir auch gedacht. Schau Mac … wenn du willst, dass ich mit dir fahre …”

“Nein”, sagte sie. “Ich bin okay. Du hast recht. Lass es uns auf deine Art machen.”

Sie hasste die Tatsache, dass man ihre Enttäuschung hören konnte. Sie wusste, er zweifelte nicht an ihren Instinkten und sie wusste auch, dass seine Methode sich zu trennen am vorteilhaftesten für den Fall war. Aber sie fuhr zurück in ihre Heimatstadt, um sich Geistern zu stellen, die sie nur ignoriert und niemals richtig hinter sich gelassen hatte. Das war seine erste richtige Chance aufzustehen und ihr die Art von Mann zu zeigen, die er für sie sein konnte.

Aber er wollte lieber ein besserer Agent sein, als ein besserer Partner.

Sie verstand es und mit Gottes Hilfe verliebte sich nur noch mehr in ihn.

“Ich bin nicht dumm, Mac”, bemerkte er. “Du bist wütend. Ich kann mitkommen. Das ist kein Problem.”

“Ich bin nicht wütend … nicht auf dich. Ich hasse einfach nur die Art, wie mich dieser Fall wie zwei unterschiedliche Personen fühlen lässt. Aber du hast recht. Du musst hier bleiben.”

Sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Ecken seines Mundwinkels und ging zur TГјr.

“Du gehst einfach so?”

“Es ist besser, als es herauszuzögern und mich nicht noch mehr aufzuregen, oder? Ich rufe dich an, wenn ich ein Zimmer habe.”

“Bist du sicher, dass es das ist, was du willst?”, fragte er.

Ich weiß nicht, was ich will, dachte sie. Und das ist das Problem. Stattdessen sagte sie nur: “Ja. Es ist der beste Weg. Ich ruf dich gegen Mitternacht an.”

Damit verließ sie den Konferenzraum. Sie musste sich zusammenreißen, sich nicht umzudrehen und ihm zu erklären, dass sie keine Ahnung hatte, warum sein Vorschlag sich zu trennen, sie so aufregte. Aber stattdessen zwang sie sich, weiter zu gehen. Sie schaute auf den Boden, sie wollte mit niemandem sprechen, während sie zum AR Stand ging, um sich ein Auto zu leihen.




KAPITEL FГњNF


Im Nachhinein wünschte Mackenzie sich, dass sie über Nacht in Omaha geblieben wäre und erst morgens im hellen nach Morrill County gefahren wäre. Die kleine Stadt Belton um 12:05 Uhr nachts zu befahren, war mehr als gruselig. Es gab kaum andere Autos auf der Straße und die einzigen Lichter, die man sah, waren die Straßenlampen entlang der Hauptstraße und ein paar Neon Anzeigen in den Fenstern der Bars und dem Ort, den sie suchte, das Motel der Stadt.

Belton hatte gerade über zweitausend Einwohner. Hauptsächlich waren es Bauern und Textilarbeiter. Kleine Geschäfte waren das Herz des Ortes, denn kein größeres Unternehmen traute sich, in diesem Staat zu investieren. Als sie klein war, hatte McDonalds, ein Arbys und ein Wendys versucht, auf der Hauptstraße zu bestehen, aber alle waren innerhalb von drei Jahren pleite.

Sie buchte sich ein Zimmer, nachdem sie einen lüsternen Blick von dem alten Angestellten am Empfang bekommen hatte. Mit ihrer einzigen Tasche, die sie nicht auspackte und der Tag, der sie geschafft hatte, rief sie Ellington an, ehe sie das Licht ausmachte. Immer eifrig antwortete er beim zweiten Klingeln. Er hörte sich genauso müde an, wie sie sich fühlte.

“Ich habe es geschafft”, sagte sie und hielt sich nicht mit Hallo auf.

“Gut”, antwortete Ellington. “Wie gehts dir?”

“Ein wenig verstört. Es ist ein merkwürdiger Ort zum Besuchen im Dunkeln, glaube ich.”

“Glaubst du immer noch, dass das richtig war?”

“Ja. Du?”

“Ich weiß nicht. Ich hatte Zeit darüber nachzudenken. Vielleicht hätte ich mitkommen sollen. Es ist mehr als nur ein Fall für dich. Du versuchst auch, ein wenig von deiner Vergangenheit hinter dich zu bringen. Und wenn ich dich liebe, was ich tue, sollte ich für dich da sein.”

“Aber Arbeit geht vor”, sagte sie. “Du musst zuerst ein guter Agent sein.”

“Ja. Das sage ich mir auch. Du hörst dich todmüde an, Mac. Geh schlafen. Falls du noch alleine schlafen kannst.”

Sie grinste. Es war jetzt schon fast drei Monate her, seitdem sie begonnen hatten, regelmäßig das Bett zu teilen. “Hör dich mal selber an”, antwortete sie. “Der ältere Angestellte am Empfang hat ein Auge auf mich geworfen”

“Schütz dich”, sagte Ellington mit einem Kichern. “Gute Nacht.”

Mackenzie legte auf und zog sich bis auf die Unterwäsche aus. Sie schlief über der Decke, weil sie sich weigerte, das Risiko einzugehen, die Laken eines Motels in Belton zurückzuziehen. Sie dachte, es würde ewig dauern, bis sie einschlief, aber die Einsamkeit und Ruhe der Stadt vor dem Fenster ließen ihr genug Zeit sich richtig zu beruhigen und sich vom Schlaf übermannen zu lassen und einzuschlafen.



***



Ihr innerer Wecker weckte sie um 5:45 Uhr, aber sie ignorierte es und schloss ihre Augen wieder. Sie hatte keinen Terminplan, der sie zwang, aufzustehen und auГџerdem konnte sie sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal ausschlafen konnte. Sie schlief wieder ein, und als sie aufwachte, war es 7:28 Uhr. Sie stand auf, duschte und zog sich an. Um acht war sie aus der TГјr und sofort auf der Suche nach Kaffee.

Sie nahm sich einen Becher mit einem Wurstkuchen an einem kleinen Diner mit, der dort schon stand, solange sie sich erinnern konnte. Sie war häufig mit ihren Freunden von der High School dort gewesen, sie hatten Milkshakes geschlürft, bis der Laden abends um neun zu machte. Jetzt schien der Ort wie eine fettige Müllkippe, ein Schandfleck wie sie sich aus ihren Jugendjahren erinnerte.

Aber der Kaffee war gut und dunkel, die geeignete Sorte von Benzin, der sie den Highway 6 herunterdrückte in Richtung eines Stückes Land, wo sie einmal gelebt hatte. Als sie sich näherte, merkte sie, dass sie sich leicht daran erinnerte, als sie das letzte Mal hier gewesen war. Sie war in Begleitung von Kirk Peterson gewesen, der jetzt aufgewühlte Privatdetektiv, der über den Fall ihres Vaters gestolpert war, als Jimmy Scott getötet wurde.

Als das Haus in Sicht kam, als sie die Einfahrt hinauffuhr, war sie nicht Гјberrascht bei dem, was sie sah. Ein verfallenes Dach schien drohend die gesamte RГјckwand zu Fall zu bringen. Das Unkraut um den Platz wucherte und die Vorderveranda sah aus wie aus einem Horrorfilm.

Das Nachbarhaus war ebenfalls leer. Es schien passend, dass nichts außer Wald an beiden Seiten des Hauses war. Vielleicht würde eines Tages der Wald bis hier herreichen und das alte vernachlässigte Haus verschlucken.

Würde mich nicht stören, dachte Mackenzie.

Sie parkte ihr Auto in der geisterhaften Einfahrt und trat in den Morgen hinaus. Mit dem Highway hinter ihr und den Wäldern vor ihr, war der Ort ruhig und gelassen. Sie konnte die Vögel in den Bäumen singen hören und das Ticken des Motors, als er abkühlte. Sie ging durch die Stille, direkt zur Vordertür. Sie lächelte, als sie sah, dass sie eingetreten worden war. Sie erinnerte sich daran, als sie mit Peterson hier war. Sie erinnerte sich auch an die kranke Art von Zufriedenheit, die von der Tat kam.

Innen war es genauso wie vor einem Jahr. Keine Möbel, keine Habseligkeiten, gar nichts. Risse in den Wänden, Schimmel auf dem Teppich, der Geruch von Alter und Verwahrlosung. Hier gab es nichts für sie. Nichts Neues.

Warum zum Teufel bin ich also hier?

Sie kannte die Antwort. Sie kannte sie, weil sie wusste, es wäre das letzte Mal, dass sie es sah. Nach dieser Reise würde sie sich nie wieder erlauben, sich von diesem verdammten Haus belästigen zu lassen. Nicht in ihren Erinnerungen, nicht in ihren Träumen und sicherlich auch nicht in ihrer Zukunft.

Sie ging langsam durchs Haus in jedes Zimmer. Das Wohnzimmer, wo sie und ihre Schwester die Simpsons gesehen hatten und besessen von The X-Files waren. Die KГјche, wo ihre Mutter selten etwas Gutes serviert hatte auГџer Lasagne, fГјr das sie ein Rezept auf einer Pastapackung gefunden hatte. Ihr Schlafzimmer, wo sie zum ersten Mal einen Jungen gekГјsst und wo sie sich zum ersten Mal von einem Jungen hatte ausziehen lassen. Es waren Quadrate an ihrer Wand zu sehen, die sich leicht vom Rest der Farbe abhoben; hier hatten ihr Nine Inch Nails, Nirvana und Pj Harvey Poster gehangen.

Das Badezimmer, wo sie ein wenig geweint hatte, nachdem sie das erste Mal ihre Periode bekommen hatte. Der winzige Waschraum, wo sie versucht hatte, den Geruch von ausgespucktem Bier von ihrer Bluse zu bekommen, als sie einmal spät nachts im Alter von fünfzehn nach Hause gekommen war.

Dann am Ende des Flurs lag das Zimmer ihrer Eltern – das Zimmer, dass ihre Träume schon so lange verfolgte. Die Tür stand offen, der Raum wartete auf sie. Sie musste nicht einmal den Raum betreten. Sie stand an der Tür, ihre Arme über ihrer Brust verschränkt, während sie hineinschaute. Mit der Morgensonne, die durch die rissigen und staubigen Fenster hereinkam, hatte das Zimmer eine ätherische Qualität. Es war leicht sich diesen Platz als Spukort oder verflucht vorzustellen. Aber beides stimmte nicht. Ein Mann war in diesem Zimmer gestorben, sein Blut war noch auf dem Teppich. Aber dasselbe galt für zahlreiche andere Zimmer auf der Welt. Dieses hier war nicht anders, als alle anderen. Warum also war das für sie so schwerwiegend?

Du glaubst, du bist stark und stur sprach ein klügerer Teil in ihr. Aber wenn du dieses Mal den Fall nicht löst, wird dieses Zimmer dich immer verfolgen. Du kannst dich auch gleich auf den Boden schmeißen und eine Zelle darum bauen.

Sie verließ den Flur und ging hinaus. Sie ging zur Rückseite des Hauses, wo sich der einzige Eingang zum Keller befand. Sie fand die alte Tür schief im Rahmen hängend, und leicht zu öffnen. Sie ging hinein und schrie fast auf, beim Anblick einer grünen Schlange, die in eine der Ecken glitt. Sie kicherte über sich selbst und trat in den staubigen Raum. Es roch nach alter Erde und seltsamen, sauren Dingen. Es war ein vergessener Ort mit Spinnenweben und Staub, der sich überall gesammelt hatte. Dreck, Staub, Schimmel, Fäule. Es war schwer, sich vorzustellen, dass sie aufgeregt war, wenn sie sich hier hereingeschlichen hatte, wo ihr Vater den Rasenmäher und die Motorsense aufbewahrte, wo ihre Mutter all die leeren Mason Krüge aufbewahrte, für ihre Marmeladen und Gelees.

Überwältigt von Erinnerungen und dem ranzigen Geruch ging Mackenzie wieder hinaus. Sie ging zum Auto, aber konnte dennoch nicht fahren. Wie ein gelangweilter Geist ging sie noch einmal hinein, um den Ort noch einmal zu sehen. Sie ging zum Ende des Flurs, zum Schlafzimmer ihrer Eltern.

Sie starrte in das Zimmer und begann langsam zu verstehen, welchen Weg sie gehen musste. Sie war gestern Nacht näher dran gewesen, war durch Belton gefahren und wollte einfach, dass die Fahrt vorbei war. Dieses leere, alte Zimmer hatte nichts als grausame Erinnerungen für sie. Wenn sie wirklichen Fortschritt in dem Vorfall wollte, musste sie nachforschen.

Sie würde das auf den Straßen machen, vor denen sie als Teenager Angst hatte, dass sie ihnen nie entkommen können würde.



***



Sie war so entfernt von Belton gewesen, als sie es geschafft hatte, als dreiundzwanzigjährige einen Job bei der Staatspolizei zu bekommen, dass sie mit den Jahren immer weniger Ahnung hatte, was in der Stadt passiert war. Sie hatte keine Ahnung, welche Geschäfte noch offen waren. Sie hatte auch keine Ahnung, wer gestorben war und wer es geschafft hatte, bis ins hohe Alter zu leben.

Klar, sie lebte mehr als zwölf Jahre nicht mehr in Belton, aber ein einziges Jahr hatte eine lustige Art, Chaos in einer so kleinen Stadt anzurichten – sei es finanziell, immobilienmäßig oder Verstorbene. Aber sie wusste auch, dass kleine Städte in ihren Traditionen verwurzelt waren. Und deswegen fuhr Mackenzie zum einheimischen Hofladen am östlichen Ende der Stadt.

Der Laden hieß Atkins Farm und Traktor Versorgung. Und früher, noch ehe Mackenzie geboren worden war, war es das Geschäftszentrum der Stadt gewesen. Das war eine der Geschichten, die ihr Vater ihr erzählt hatte. Jetzt war es eher ein Geist von sich selbst. Als Mackenzie ein Kind gewesen war, hatte der Ort jede Art von Weizen angeboten, die ein Bauer wollte (spezialisiert auf Korn wie die meisten Läden in Nebraska). Es hatte auch kleine landwirtschaftliche Geräte, Zubehör und Haushaltswaren verkauft.

Als sie fünfzehn Minuten später, nachdem sie auf der Türschwelle zu dem Raum gestanden hatte, in dem ihr Vater gestorben war, hineinging, taten Mackenzie die Besitzer schon fast leid. Das ganze Hintere des Ladens, das einmal Weizen und Gartenzubehör enthalten hatte, war entfernt worden. Jetzt stand dort ein alter Billardtisch. Hinsichtlich des Ladens selbst boten sie immer noch Getreide an, aber die Auswahl war nicht wirklich erwähnenswert. Der größte Bereich des Ladens war ein Schaukasten von Blumen und Pflanzensamen. Ein kleiner Kühlschrank im hinteren Bereich enthielt Fischköder (Elritzen und Nachtkriecher, laut dem selbstgemalten Zeichen), während die Vordertheke vor einer sehr staubigen Auslage mit Angelruten und Angelboxen stand.

Zwei ältere Männer standen hinter der Theke. Einer rührte in einem Kaffeebecher, während der andere durch ein Lieferantenbuch blätterte. Sie näherte sich der Theke und war sich nicht sicher, wie sie das angehen sollte: die Einheimische, die nach langer Abwesenheit zurückkehrte oder eine FBI-Agentin, die nach Fakten an einem alten Fall suchte. Sie entschloss sich schließlich, es spontan zu entscheiden. Beide Männer sahen sie gleichzeitig an, als sie nur noch ein paar Schritte von der Theke entfernt war. Sie erkannte beide Männer von den Jahren, die sie in Belton gelebt hatte, aber sie kannte nur den Namen des Mannes, der durch den Katalog blätterte.

“Herr Atkins?”, fragte sie und wusste sofort, dass sie beide Rollen spielen konnte und ehrliche Informationen bekommen würde – wenn es welche gab.

Der Mann mit dem Katalog in seiner Hand schaute sie an. Wendell Atkins war zwölf Jahre älter als Mackenzie ihn das letzte Mal gesehen hatte, aber er sah aus, als wenn er mindestens zwanzig Jahre älter geworden war. Mackenzie nahm an, dass er jetzt mindestens siebzig Jahre alt sein musste.

Er lächelte sie an und legte seinen Kopf zur Seite. “Sie sehen bekannt aus, aber mir fällt Ihr Name nicht ein”, sagte er. “Am besten sagen Sie ihn mir, sonst stehe ich hier und überlege den ganzen Tag.”

“Ich bin Mackenzie White. Ich bin hier in Belton aufgewachsen, bis ich achtzehn war.”

“White …. War Ihre Mutter Patricia?”

“Ja, Sir. Das ist meine Mutter.”

“Meine Güte”, sagte Atkins. “Ich habe Sie ewig nicht gesehen. Das letzte, was ich gehört habe, war dass Sie für die Staatspolizei oder so arbeiten, stimmt’s?”

“Ich habe eine Weile als Detektivin gearbeitet”, erwiderte sie. “Aber jetzt bin ich in Washington, DC. Ich arbeite jetzt für das FBI.”

Sie lächelte innerlich, weil sie wusste, dass innerhalb einer Stunde, nachdem sie hier raus wäre, Wendell Atkins jedem, den er kannte, von dem Besuch von Mackenzie White erzählen würde. Das Mädchen, das nach DC abgehauen und Bundesagentin geworden war. Und wenn das die Runde machte, dann nahm sie an, dass die Menschen darüber diskutieren würden, was mit ihrem Vater passiert war. In kleineren Städten wurden so typischerweise Informationen übertragen.

“Ist das so?”, sagte Atkins. Sogar sein Freund schaute jetzt von seinem Kaffeebecher hoch und sah interessiert aus.

“Ja, Sir. Und deswegen bin ich auch hier. Ich bin nach Belton gekommen, um mir einen alten Fall anzuschauen. Den Fall meines Vaters, um genau zu sein.”

“Oh nein”, sagte Aktins. “Das stimmt ... sie haben nie herausgefunden, wer das getan hat, oder?”

“Nein, haben sie nicht. Und in letzter Zeit hat es in Omaha Morde gegeben, von denen wir annehmen, dass sie mit meinem Vater verbunden sind. Jetzt bin ich hier hergekommen, weil ich, um ehrlich zu sein, mich daran erinnern kann, dass Dad manchmal hier hergekommen ist, als ich jung war. Es war die Art von Ort, wo die Männer herumsaßen und Kaffee tranken und belangloses Zeug redeten, oder?”

“Das stimmt … obwohl wir nicht immer Kaffee getrunken haben”, sagte Wendell mit einem kratzigen kleinen Kichern.

“Ich habe mich gefragt, ob Sie mir irgendetwas sagen können, an dass Sie sich erinnern gehört zu haben, nachdem mein Vater getötet worden war. Auch wenn Sie glauben, dass es nur Gerüchte oder Klatsch ist, würde ich es gerne wissen.”

“Naja, Agentin White”, sagte er mit guter Laune, “ich hasse es zu sagen, dass einiges davon nicht zu angenehm ist.”

“Das erwarte ich auch nicht.”

Atkins machte ein unangenehmes Geräusch in seiner Kehle, während er sich leicht über die Theke lehnte. Sein Freund schien zu spüren, dass ein merkwürdiges Gespräch aufkam; er nahm seinen Kaffeebecher und verschwand hinter die Reihen von Inventar und Angelzubehör hinter der Theke.

“Einige sagen, es war Ihre Mutter”, sagte Atkins. “Und das erzähle ich Ihnen nur, weil Sie gefragt haben. Ansonsten würde ich so etwas nicht sagen.”

“Das ist okay, Herr Atkins.”

“Man sagt, dass sie es wie einen Mord aussehen lassen hat. Tatsache ist … naja, dass sie eine Art Zusammenbruch danach hatte, schien ein wenig zu überzeugend für einige Leute.”

Mackenzie konnte sich nicht einmal aufregen bei der Anschuldigung. Sie hatte diese Theorie schon selber in Betracht gezogen, aber sie hatte sich nicht erwiesen. Das würde bedeuten, dass sie auch für die Morde der Landstreicher Gabriel Hambry und Jimmy Scotts verantwortlich war. Ihre Mutter war vieles, aber sie war keine Serienmörderin.

“Ein anderes Gerücht sagt, dass Ihr Vater mit irgendwelchen dubiosen Leuten aus Mexiko zu tun hatte. Irgendeine Art von Drogenkartellen. Ein Deal ist schlecht gelaufen oder Ihr Vater hat sie irgendwie betrogen und das war das Ende davon.”

Das war eine weitere Theorie, über die lange spekuliert worden war. Die Tatsache, dass Jimmy Scotts ebenso angeblich in Drogenkartelle involviert war – seins in New Mexico – bot eine Verbindung, aber wie eine lange Ermittlung ergeben hatte, gab es dort keine Verbindung. Dann wiederum war Mackenzies Vater in einer Truppe gewesen und es war öffentlich bekannt, dass er ein paar Drogendealer vor Ort zu Fall gebracht hatte, also war die Annahme eine einfache.

“Noch irgendetwas?”, fragte sie.

“Nein. Glauben Sie, was Sie wollen, aber ich bin nicht neugierig. Ich hasse Gerüchte. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr sagen.”

“Das ist okay. Danke, Herr Atkins.”

“Wissen Sie”, sagte er, “vielleicht sollten Sie mit Amy Lucas sprechen. Erinnern Sie sich?”

Mackenzie versuchte in ihrer Erinnerung zu wühlen, aber ihr fiel nichts ein. “Der Name kommt mir vage bekannt vor, aber nein … ich erinnere mich nicht an sie.”

“Sie lebt draußen in der Dublin Straße … das weiße Haus mit dem alten Cadillac auf den Blöcken auf der Einfahrt. Das verdammte Ding steht schon seit Ewigkeiten da.”

Traurig genug, dass das alles an Denkanstoß war, was Mackenzie brauchte. Obwohl sie Amy Lucas nicht persönlich kannte, erinnerte sie sich an das Haus. Der besagte Cadillac war aus den Sechzigern. Es stand schon wer weiß wie lange auf den Blöcken. Mackenzie konnte sich daran erinnern, ihn schon in ihrer Zeit in Belton gesehen zu haben.

“Was ist mit ihr?”, fragte Mackenzie.

“Ihre Mutter und Amy waren einmal unzertrennlich. Amy hat ihren Ehemann vor drei Jahren an den Krebs verloren. Seitdem war sie nicht mehr die feste Größte in der Stadt, wie früher. Aber ich erinnere mich daran, dass sie und Ihre Mutter immer zusammengehangen haben. Sie waren immer in einer Bar oder spielten Karten auf Amys Vorderveranda.”

Als wenn Herr Atkins irgendwo einen Schalter umgelegt hatte, erinnerte Mackenzie sich plötzlich wieder an mehr als vorher. Sie konnte Amy Lucas Gesicht schon fast vor sich sehen, noch hervorgehoben mit einer Zigarette, die zwischen ihren Lippen steckte. Sie ist die Freundin über die Mama und Papa immer so viel gestritten haben, dachte Mackenzie. An den Nächten kam Mama betrunken nach Hause oder war einfach nicht da an einem Samstag, sie war bei Amy. Ich war zu jung, um darüber überhaupt darüber nachzudenken.

“Wissen Sie, wo sie arbeitet?”, fragte Mackenzie.

“Nirgendwo. Ich wette, sie ist jetzt zu Hause. Seit ihr Mann gestorben ist, ist sie zum Stubenhocker geworden. Sie sitzt einfach zu Hause und bläst Trübsal. Aber bitte … wenn Sie dort hingehen, dann lassen Sie sie um Himmels willen nicht wissen, dass ich sie geschickt habe.”

“Das werde ich nicht. Vielen Dank, Herr Atkins.”

“Sicherlich. Ich hoffe, Sie finden, nach was immer Sie suchen.”

“Das hoffe ich auch.”

Sie ging wieder hinaus und zum Auto. Sie schaute den ruhigen Abschnitt der HauptstraГџe hoch und runter und fragte sich: Was genau suche ich?

Sie stieg ins Auto und fuhr zur Dublin StraГџe, hoffte, dass sie dort irgendeine Art von Antwort finden wГјrde.




KAPITEL SECHS


Die Dublin Straße war ein zweispuriger Asphaltstreifen, der sich durch den Wald schlängelte. Bäume standen an beiden Seiten der Straße und eskortierten Mackenzie zu Amy Lucas Wohnung. Sie fühlte sich, als wenn sie durch die Zeit reiste, besonders als sie zum Haus kam und den alten Cadillac sah, der am Ende der kiesigen Einfahrt auf den Blöcken stand.

Sie parkte hinter dem einzigen Auto in der Auffahrt, einem neueren Honda und stieg aus. Als sie auf die Veranda trat, dachte sie daran, dass Herr Atkins ihr erzählt hatte, dass ihre Mutter und Amy hier immer Karten gespielt hatten. Das Wissen, das ihre Mutter einmal die Veranda besetzt hatte, schickte einen kleinen Schauer über ihren Rücken.

Mackenzie klopfte an die Tür und sie wurde sofort geöffnet. Die Frau, die auf der anderen Seite stand, war ein Geist der Erinnerungen, die Mackenzie hatte. Amy Lucas schien in ihren Fünfzigern zu sein und hatte die Art von Augen, die immer argwöhnisch jemandem gegenüber zu sein schienen. Das meiste ihres braunen Haares, war bereits grau geworden. Es war zurückgebunden, und gab eine Stirn frei, die voll mit Aknenarben war. Sie hatte eine Zigarette zwischen den Fingern ihrer rechten Hand, der Rauch schwebte zurück ins Haus.

“Frau Lucas?”, fragte Mackenzie. “Amy Lucas?”

“Das bin ich”, sagte sie. “Wer sind Sie?”

Mackenzie zeigt ihr Abzeichen und ging durch die wiederkehrende Routine. “Mackenzie White vom FBI. Ich habe gehofft, ich könnte Ihnen –“

“Mac! Ach du meine Güte! Was machen Sie in der Stadt?”

Die Tatsache, dass die Frau sich anscheinend an sie erinnerte, überraschte Mackenzie ein wenig, aber sie schaffte es, ihre Haltung zu bewahren. “Ich arbeite im Moment an einem Fall und hoffte, Sie könnten mir helfen.”

“Ich?” Sie lachte die Art von Lachen, das vor langer Zeit schon das Geräusch von unzähligen Zigaretten die gegen ihre Lungen arbeiteten, geworden war.

“Naja, es geht um den Fall meines Vaters. Und um ehrlich zu sein, haben Mom und ich nicht mehr die beste Beziehung. Ich hoffte, Sie können mir vielleicht helfen, ein wenig Licht in die Dinge zu bringen.”

Diese argwöhnischen Augen verengten sich einen Moment, ehe Amy nickte und zur Seite trat. “Kommen Sie rein”, sagte sie.

Mackenzie ging hinein und der Gestank des Zigarettenrauchs wehte ihr ins Gesicht. Es war schon fast, wie eine sichtbare Wolke die im Haus hing. Amy fГјhrte sie durch einen kleinen Flur und in das Wohnzimmer, wo sie in einem alten, zerlumpten Sessel Platz nahm.

Mackenzie setzte sich auf die Ecke eines Sofas an der Wand und gab sich MГјhe die Tatsache zu verstecken, dass sie versuchte, nicht von dem ganzen Zigarettengestank zu husten.

“Ich habe das mit Ihrem Ehemann gehört”, sagte Mackenzie. “Mein Beileid.”

“Ja, es war ein trauriger Tag, aber wir wussten, dass das kommt. Krebs kann so gemein sein. Aber … er war bereit zu gehen. Der Schmerz war so schlimm am Ende.”

Es gab keinen leichten Übergang und da Mackenzie diese Art von Gespräch nicht als ihre Stärke bezeichnete, gab sie sich Mühe direkt zum Punkt zu kommen, ohne dabei unhöflich zu erscheinen.

“Also ich bin zurück in die Stadt gekommen, um mehr Einzelheiten über den Mord an meinem Vater herauszufinden. Der Fall war lange Zeit stillgelegt, aber eine Reihe von Morden woanders im Staat, haben uns wieder darauf zurückgeführt. Ich wollte zu Ihnen kommen, weil Sie meiner Mutter sehr nahe gestanden haben. Ich habe mich gefragt, ob Sie mir etwas über den Zustand sagen können, in dem sie sich vor und nach dem Tod meines Vaters befunden hatte.”

Amy nahm einen Zug von ihrer Zigarette und lehnte sich in ihren Stuhl. Sie sah nicht länger argwöhnisch aus, sondern ein wenig traurig.

“Verdammt, ich vermisse Ihre Mutter. Wie geht’s ihr?”

“Ich weiß es nicht”, antwortete Mackenzie. “Wir haben seit über einem Jahr nicht mehr miteinander gesprochen. Es gibt ein paar ungelöste Themen, wie Sie sich vorstellen können.”

Amy nickte. “Ist sie jemals aus diesem … Heim herausgekommen?”

Sie meint die Psychiatrie, dachte Mackenzie. “Ja. Und dann hat sie sich irgendwo eine Wohnung gemietet und ihr eigenes Leben gelebt. Sie hat mich und Stefanie quasi einfach zurückgelassen.”

“Als Ihr Vater gestorben ist, war das sehr schwer für sie”, erklärte Amy. “Die Tatsache, dass sie dort war auf dem Sofa, als es passiert ist – hat sie verrückt gemacht.”

Ja, das hat mich auch ziemlich aufgewühlt, dachte Mackenzie. “Ja, wir waren alle da. Hat Mom je etwas über diese Nacht erzählt? Vielleicht Dinge, die Sie gesehen oder gehört hat?”

“Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß, dass sie von der Idee besessen war, dass die Tür aufgewesen sein muss – dass die Person die reingekommen ist und Ihren Vater getötet hat, einfach ins Haus gegangen ist. Es hat sie verrückt gemacht, dass es auch dich oder deine Schwester hätte treffen können.”

“Und genau darum geht es”, sagte Mackenzie. “Allen anderen wurde nichts angetan. Der Mörder hatte nur meinen Vater gewollt. Hat meine Mutter jemals Dinge mit Ihnen über meinen Vater geteilt, von denen sie dachten, dass sie merkwürdig waren? Vielleicht Gründe, warum jemand ihn töten wollte?”

“Ehrlich gesagt, hat Ihre Mutter immer nur davon gesprochen, wie scharf er in dieser Polizei Uniform aussah. Er war am Ende Kriminalbeamter oder?”

“Okay. Also … hat meiner Mutter die Tatsache gefallen, dass er ein Polizist war oder hat sie das nervös gemacht?”

“Beides, glaube ich. Sie war sehr stolz auf ihn, aber sie war auch sehr besorgt. Deswegen hat sie so viel getrunken. Sie war immer besorgt, dass er verletzt werden könnte und das Trinken war ihre Art, mit dem Stress umzugehen.”

“Ich verstehe …”

“Hören Sie, ich kenne einige der Gerüchte in der Stadt, die vielleicht nicht so schön sind, aber Ihre Mutter hat Ihren Vater geliebt. Sie hat ihn sehr geliebt. Er ist über seine Grenzen gegangen, um sie zu unterstützen. Als er Polizist geworden ist und sie kaum die Rechnungen zahlen konnten, hat er sogar einen Kredit aufgenommen und dieses kleine winzige Apartmentgebäude außerhalb der Stadt gekauft. Er hat versucht, zwei Jahre Vermieter zu sein aber das war einfach nicht seins. Das Einkommen war genug, um zu überleben.”

“Wann war das?”, fragte sie.

“Ehe Sie geboren wurden”, sagte Amy. “Wir waren alle so jung damals. Gott, ich kann nicht glauben, wie leicht ich das vergessen habe…”

Mackenzie konnte nicht anders als lächeln. Einfach so, hatte sie etwas Neues über ihren Vater gelernt. Sicherlich hatten er und ihre Mutter vielleicht einmal erwähnt, dass er einmal Vermieter gewesen war, aber wenn, dann hatte sie das nie so wahrgenommen.

“Amy, wann haben Sie das letzte Mal mit meiner Mutter gesprochen?”

“An dem Tag, bevor sie in die Psychiatrie gegangen ist. Ich glaube, sogar damals war sie schon sauer auf dich. Aber sie hat mir nie gesagt warum.”

“Und hat sie etwas über meinen Vater gesagt?”

“Sie sagte, es war wie ein Albtraum. Sie sagte, es war ihr Fehler und sie hätte es aufhalten müssen. Ich nehme an, es war die Schuld, eingeschlafen und nicht aufgewacht zu sein, als anscheinend jemand mit einer Waffe das Haus betreten hat.”

“Können Sie sich noch an etwas anderes erinnern?”

Sogar als Amy darГјber nachdachte, hatte Mackenzie sich an etwas, was Amy gesagt hatte, festgebissen.

Sie hätte in der Lage sein müssen, es aufzuhalten.

Hörte sich merkwürdig an im Licht der Geschehnisse.

Sie weiß etwas. Sie hat immer etwas gewusst und ich hatte zu viel Angst sie zu fragen…

Mist. Ich muss sie anrufen.

Amy antwortete endlich mit: “Nein, nichts an das ich mich erinnern könnte. Aber Sie haben meine Erinnerungen auf die Vergangenheit gelenkt. Wenn mir noch etwas einfällt, lasse ich es Sie wissen.”

“Das weiß ich zu schätzen”, erwiderte Mackenzie und übergab Amy eine ihrer Visitenkarten.

Sie verlieГџ das Haus, erfreut darГјber, endlich wieder frische Luft zu atmen. Sie ging zurГјck zum Auto und war sich bewusst, dass sie nach Zigarette stank, aber trotzdem verarbeitete sie die neuen wenigen Informationen, die sie Гјber ihren Vater erfahren hatte.

Ein Vermieter dachte sie. Das habe ich nicht kommen sehen. Ich frage mich, ob Stephanie das wusste …

Aber an der Spitze war ein weiterer Gedanke.

Ich muss meine Mutter besuchen. Ich kann es nicht länger hinausschieben.

Dieses Wissen machte sie sofort nervös. Als sie wieder auf die Dublin Road fuhr, saß der reine Gedanke ihrer Mutter zu sehen ganz oben. Es fühlte sich wie Gewicht an, das sich auf ihren Magen legte, während sie zurück in die Stadt fuhr, und versuchte an irgendetwas zu denken, womit sie den unvermeidlichen Besuch bei ihrer Mutter umgehen konnte.




KAPITEL SIEBEN


Sie musste noch eine weitere Aufgabe ausführen, ehe sie sich mit weiteren Gedanken an ihre Mutter quälte. Sie sah sich die Akten an und rief die Informationen über die Autopsie ihres Vaters auf. Sie fand den Namen des Gerichtsmediziners, der den Original Bericht geschrieben hatte, und machte sich auf, ihn zu finden.

Es war ziemlich einfach. Obwohl der infrage kommende Gerichtsmediziner sich schon vor zwei Jahren zur Ruhe gesetzt hatte, war Morrill County die Art von Ort, die sich wie ein schwarzes Loch anfühlte. Es war unmöglich ihm zu entkommen. Deswegen gab es so viele bekannte Gesichter auf den Straßen. Niemand hatte darüber nachgedacht zu gehen, irgendwo anders auf der Welt hinzugehen, um zu sehen, was das Leben noch für sie bereithielt.

Sie hatte Agent Harrison in DC angerufen, um die Adresse von Jack Waggoner, dem Gerichtsmediziner, der an ihrem Vater gearbeitet hatte, zu bekommen. Sie bekam die Adresse innerhalb von Minuten und fuhr in eine weitere kleine Stadt namens Denbrough. Denbrough lag ca. 40 Meilen sГјdlich von Belton, zwei kleine PГјnktchen auf der Karte die Morrill County darstellte.

Jack Waggoner lebte in einem Haus, das neben einer großen Wiese lag. Alte ruinierte Zaunpfähle und Stacheldraht deuteten darauf hin, dass dort einst Pferde oder Rinder gewesen waren. Als sie das Auto in der Einfahrt eines wunderschönen zweistöckigen Kolonialstilhauses parkte, sah sie eine Frau, die im Blumenbeet arbeitete, das die ganze Veranda entlanglief.

Die Frau sah Mackenzie in dem Moment, als Mackenzie das Auto wendete, es parkte und ausstieg.

“Hallo”, sagte Mackenzie und wollte so schnell wie möglich mit der Frau ins Gespräch kommen, ehe das Starren sie zu irritieren begann.

“Selber Hallo”, sagte sie Frau. “Wer sind Sie?”

Mackenzie nahm ihr Abzeichen heraus und stellte sich selbst so freundlich vor, wie sie konnte. Direkt leuchteten die Augen der Frau auf und sie schaute sie nicht mehr so argwöhnisch an.

“Und was bringt das FBI nach Denbrough?”, fragte die Frau.

“Ich habe gehofft, mit Herrn Waggoner sprechen zu können”, sagte sie. “Jack Waggoner. Ist er zu Hause?”

“Ist er”, sagte die Frau. “Ich bin übrigens Bernice. Seine Frau seit 31 Jahren. Er bekommt manchmal Anrufe von der Regierung, es geht immer um tote Leute, die er in der Vergangenheit gesehen hat.”

“Ja, deswegen bin ich hier. Können Sie ihn für mich holen?”

“Ich werde Sie zu ihm bringen”, sagte Bernice. “Er steckt inmitten eines Projektes.”

Bernice führte Mackenzie ins Haus. Es war sauber und sparsam dekoriert, so sah es viel größer aus, als es in Wirklichkeit war. Die Aufmachung dieses Ortes ließ sie wieder an das riesige Feld da draußen denken, das einmal Vieh enthalten hatte – Vieh, das dabei geholfen hatte, für solch ein Haus zu zahlen.

Bernice führte sie in einen fertigen Keller. Als sie zum Ende der Stufen kamen, sah Mackenzie zuerst einen Rehkopf an der Wand. Dann, als sie um die Ecke gingen, sah sie einen ausgestopften Hund – ein echter Hund, der nach seinem Tod ausgestopft worden war. Er war in die Ecke gedrückt auf einer merkwürdigen Art von Plattform.

Ganz hinten im Keller saГџ ein Mann Гјber einen Arbeitstisch gebeugt. Eine Tischlampe schien auf etwas, an dem er arbeitete, das etwas wurde von den krummen RГјcken und Schultern des Mannes verdeckt.

“Jack?”, sagte Bernice. “Du hast Besuch.”

Jack Waggoner drehte sich um und sah Mackenzie mit einem Paar dicker Brillengläser an. Er nahm sie ab, blinzelte auf fast schon komische Art mit seinen Augen und stand langsam auf. Als er sich bewegte, konnte Mackenzie sehen, an was er arbeitete. Sie sah den Körper, der wie ein kleiner Luchs aussah.

Präparator dachte sie. Er konnte einfach nicht von den toten Körpern loskommen nach seiner Pensionierung, wie es scheint.

“Ich glaube nicht, dass wir uns kennen”, sagte Jack.

“Wir kennen uns nicht”, sagte sie. “Ich bin Mackenzie White vom FBI. Ich hoffte, ich kann mit Ihnen über eine Leiche sprechen, die sie vor über siebzehn Jahren seziert haben.”

Jack pfiff und zuckte die Achseln. “Also ich kann mich kaum an die Leichen erinnern, die ich während meines letzten Jahres gesehen habe und das war vor zwei Jahren. Siebzehn Jahre sind ein wenig zu viel.”

“Es war ein sehr hochkarätiger Fall”, sagte sie. Ein Polizist … ein Kriminalpolizist. Ein Mann namens Benjamin White. Er war mein Vater. Er wurde erschossen –“

“Von hinten in den Kopf geschossen”, sagte Jack. “Mit einer Beretta 92, wenn ich mich richtig erinnere.”

“Das stimmt.”

“Ja, daran erinnere ich mich. Und … naja, schön Sie kennenzulernen. Tut mir leid, das mit ihrem Vater.”

Bernice seufzte und begann zur Treppe zu gehen. Sie gab ein entschuldigendes Lächeln und winkte Mackenzie zu, als sie sich empfahl.

Jack lächelte seiner Frau nach, als sie die Treppen hochging. Als ihre Fußschritte verhallt waren, schaute Jack wieder auf die Arbeit auf seinem Tisch. “Ich würde Ihnen die Hand schütteln … aber naja ich weiß nicht, ob Sie das wollen.”

“Präparator scheint ein passendes Hobby für einen Mann mit Ihrer Arbeitsgeschichte zu sein”, sagte Mackenzie.

“Es lässt die Zeit schneller rumgehen. Und das zusätzliche Einkommen ist auch nicht schlecht. Egal … Ich schweife ab. Was kann ich für Sie tun in Ben Whites Fall?”

“Ehrlich gesagt suche ich nach etwas Außergewöhnlichem. Ich habe die Berichte des Falls mehr als fünfzig Mal gelesen, da bin ich mir sicher. Ich kenne sie in und auswendig. Aber mir ist auch bewusst, dass es oft die kleinen Einzelheiten sind, die nur von ein oder zwei Menschen bemerkt werden – Einzelheiten, die es nicht wert scheinen, seine Zeit damit zu verschwenden – sodass sie im offiziellen Bericht nicht erscheinen. Nach solchen Dingen suche ich.”

Jack nahm sich einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken, aber Mackenzie konnte schon an dem enttäuschenden Blick in seinen Augen lesen, dass ihm nichts einfiel. Nach ein paar Momenten schüttelte er seinen Kopf. “Tut mir leid. Aber in Sachen der Leiche selber gab es nichts außergewöhnlich. Offensichtlich war die Todesursache klar. Ansonsten war sein Körper in sehr guter Verfassung.”

“Warum erinnern Sie sich dann so gut daran?”

“Wegen der Natur des Falles an sich. Es war mir immer schon merkwürdig vorgekommen. Ihr Vater war ein sehr respektierter Polizist. Dann kommt jemand in das Haus und schießt ihm von hinten in den Kopf und schafft es herauszugehen, ohne dass ihn jemand sieht. Eine Beretta 92 ist nicht unbedingt laut, aber laut genug, um einen ganzen Haushalt aufzuwecken.”

“Es hat mich aufgeweckt”, sagte Mackenzie. “Mein Zimmer war direkt neben seinem. Ich habe es gehört, aber ich war mir nicht sicher, was es war. Dann hörte ich Fußschritte, jemand ist an meinem Zimmer vorbeigegangen. Meine Zimmertür war geschlossen, etwas, was ich als Kind nie gemacht habe. Ich habe sie immer einen Spalt offen gelassen. Aber jemand hat sie zugemacht. Derselbe nehme ich an, es war derjenige, der meinen Vater erschossen hat.”

“Das stimmt. Sie haben ihn gefunden, oder?”

Sie nickte. “Und das kann nicht länger als zwei oder drei Minuten nach dem Schuss gewesen sein. Ich habe so lange gebraucht, um herauszufinden, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dann bin ich aus dem Bett gestiegen und in das Zimmer meiner Eltern gegangen, um nachzuschauen.”

“Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr sagen. Haben Sie mit Ihrer Mutter darüber gesprochen?”

“Nein. Nicht ausführlich. Wir sind nicht genau die besten Freundinnen.”

“Sie war ein Wrack in den Tagen bis zur Beerdigung. Niemand konnte etwas zu ihr sagen. Sie ging vom untröstlichen Weinen bis hin zu Wutausbrüchen.

Mackenzie nickte, aber sagte nichts. Sie konnte sich nur zu genau an die Wutausbrüche ihrer Mutter erinnern. Das war eine der Hauptfaktoren, warum man sie später in die Psychiatrie gebracht hatte.

“Gab es irgendeine Art von Geheimhaltung, als die Leiche im Leichenschauhaus ankam?”, fragte sie.

“Nicht, dass ich mich erinnern kann. Keine dubiosen Geschäfte so weit ich weiß. Es war nur eine weitere Routine, einer gelieferten Leiche. Aber wissen Sie, … ich erinnere mich daran, dass immer ein Polizist in der Nähe war. Er war dabei, als die Leiche geliefert wurde und blieb eine Weile in der Nähe der Arztpraxis, als wenn er auf etwas wartete. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn auch auf der Beerdigung gesehen habe. Ich meine, Benjamin White war ein respektierter Mann … besonders bei anderen Beamten im Team. Aber dieser Beamte … er war die ganze Zeit da. Wenn ich mich recht erinnere, hat er sich bei der Beerdigung im Hintergrund gehalten, als wenn er Zeit alleine bräuchte, um etwas zu verarbeiten oder so. Aber das ist ewig lange her. Siebzehn Jahre ist eine lange Zeit. Erinnerungen beginnen zu verschwinden, wenn Sie so alt wie ich sind.”

“Kennen Sie vielleicht den Namen des Polizisten?”, fragte sie.

“Nein, kenne ich nicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er irgendwann mal Papiere unterschrieben hat. Vielleicht wenn Sie auf die Originalen Daten zurückgreifen können?”

“Vielleicht”, sagte Mackenzie.

Er sagt die Wahrheit und es tut ihm leid für mich, dachte Mackenzie. Hier gibt es ansonsten nichts … außer vielleicht ein paar Präparator Fähigkeiten zu lernen.

“Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Waggoner”, sagte sie.

“Natürlich”, sagte er und brachte sie zurück nach oben. “Ich hoffe wirklich, dass Sie das aufklären können. Ich dachte immer, dass da etwas faul an dem Fall war. Und auch wenn ich Ihren Vater nicht so gut kannte, ich habe immer nur Gutes über ihn gehört.”

“Ich weiß das zu schätzen”, sagte Mackenzie.

Mit einem endgültigen Danke ging Mackenzie mit Jack an ihrer Seite nach draußen. Sie winkte Bernice, die wieder beim Unkraut im Garten war und stieg in ihr Auto. Es war drei Uhr nachmittags, aber es fühlte sich viel später an. Sie nahm an, der Flug von DC nach Nebraska gefolgt von einer fast anschließenden sechstündigen Fahrt, forderten ihren Tribut.

Es war dennoch zu frГјh, um Feierabend zu machen. Sie konnte den Tag damit beenden, dass sie einen Ort besuchte, von dem sie angenommen hatte, das sie dort einmal enden wГјrde und dennoch noch nie einen FuГџ hineingestzt hatte: die Belton Polizeistation.




KAPITEL ACHT


Die Belton Polizeistation erinnerte sie zu sehr an die Station, an der sie so viel Zeit während ihrer Zeit als Kriminalbeamtin und Detektivin im südlichen Nebraska verbracht hatte, ehe das Büro sie gerufen hatte. Es war kleiner, aber schien dieselbe Art von erstickendem Gefühl zu haben. Es war wortwörtlich wie ein großer Schritt in ihre Vergangenheit.

Nachdem sie von einer Frau am Empfangsschalter durch den Hauptbereich geführt wurde, ging Mackenzie in einen kleinen Raum im Hinteren des Gebäudes. Ein Schild an der Seite der Tür las ARCHIV. Es war fast erschreckend, wie läppisch der Prozess war. Sie hatte der Frau an der Vordertheke ihr Abzeichen gezeigt, sie hatte einen Anruf gemacht, Klarheit bekommen und sie dann durchgewunken.

Und das war’s. Auf ihrem Weg zum Archiv, begegneten ihr zwei Beamte auf dem Flur, nickten ihr zu und schauten sie merkwürdig an, aber das war es auch schon. Niemand hielt sie auf und niemand fragte, was sie hier wollte. Und um ehrlich zu sein, war das in Ordnung für sie. Je weniger Ablenkungen, umso schneller konnte sie hier wieder raus.

Das Archiv bestand aus einem kleinen Eichentisch in der Nähe des Raumes, der von zwei Stühlen eingerahmt war. Der Rest des Raumes bestand aus Aktenschränken an der Wand, von denen einige alt und zerrüttet aussahen, andere eher neuer. Sie war überrascht, wie gut die Akten dort organisiert waren. Die älteren Schränke bewahrten Akten bis zum Jahr 1951 auf. Aus Neugier und ihrer Bewunderung für gut erhaltene Aufzeichnungen und Akten zog sie einen der Schränke auf und schaute hinein. Gut erhaltene Seiten, Akten und andere Materialien waren ordentlich hinein gelegt, dennoch war es klar vom Geruch des alten Papiers und dem Aufwirbeln von Staub, dass sie lange nicht mehr angesehen worden waren.

Sie machte den Schrank zu und schaute dann die Aufschriften auf der Vorderseite der anderen Schränke an, bis sie gefunden hatte, was sie brauchte. Sie zog den Schrank auf und begann durch die Akten zu suchen. Das Gute daran ein Polizist in so einer kleinen Stadt zu sein, war, dass es normalerweise nicht viele Fälle gab, die es wert waren, archiviert zu werden. Als sie sich den Fall ihres Vaters näher angeschaut hatte, hatte sie entdeckt, dass es in dem Jahr, in dem er gestorben war, nur zwei Selbstmorde in ganz Belton gegeben hatte.

Daher war es ziemlich einfach fГјr sie, die Akte ihres Vaters zu finden. Sie zog sie heraus und runzelte die Stirn, als sie sah, wie dГјnn die Akte war. Sie schaute sogar zurГјck in den Schrank, um zu sehen, ob es noch eine weitere Akte gab, die sie vielleicht Гјbersehen hatte, aber da war nichts.

Mit der einzelnen dünnen Akte setzte Mackenzie sich an den kleinen Tisch in die Mitte des Raumes und begann durch die Akten zu sehen. Es gab mehrere Fotos des Tatorts, die sie alle gesehen hatte. Sie las auch die Notizen in dem Fall. Sie kannte diese ebenfalls. Sie hatte sogar Fotokopien in ihrer eigenen Sammlung von Aufzeichnungen über diesen Fall. Aber die Originaldokumente zu sehen – sie in der Hand zu halten – machte das ganze irgendwie noch realer.

Es gab ein paar Dokumente in der Akte, von denen sie keine eigenen Kopien hatte. Darunter war eine Kopie des Berichts des Gerichtsmediziners, vollständig mit Jack Waggoners Namen unterzeichnet. Sie schaute ihn an und fand Arbeit und Notizen zufriedenstellend und blätterte auf die nächste Seite. Sie war sich nicht sicher, nach was sie suchte, aber es gab nichts zu sehen. Aber als sie zum Ende der Akte kam, kam sie zur Seite zwei des Abschlussberichts, wo eine Notiz sagte, dass der Fall ungelöst war.

Unten gab es zwei gekritzelte Unterschriften, zusammen mit dem gedruckten Namen jedes Beamten. Einer war Dan Smith. Der andere war Reggie Thompson.

Mackenzie blätterte zurück zum Gerichtsmediziner Bericht, um die Namen der Beamten zu sehen, die ebenfalls unterschrieben hatte. Es gab nur einen Namen: Reggie Thompson. Thompsons Name auf beiden Dokumenten war ein gutes Anzeichen, dass er der Beamte war, der den Fall bearbeitet hatte, sogar im Büro des Gerichtsmediziners.

Sie blätterte durch die Akten, um sicherzugehen, dass sie nichts übersehen hatte. Aber wie sie angenommen hatte, war da nichts. Sie legte die Akte zurück in den Schrank und verließ den Raum. Als sie zurück in den Flur kam, nahm sie sich Zeit. Sie schaute sich die Plakate an den Wänden an jeder Tür an. Die meisten Türen waren offen, ohne das jemand darin saß. Erst als sie zum Ende des Flurs kam, fast schon in dem kleinen Großraumbereich und dem Empfangstisch, fand sie ein besetztes Büro.

Sie klopfte an die halb geöffnete Tür und erhielt ein fröhliches “Kommen Sie rein”, als Antwort.

Mackenzie trat in das Büro und wurde von einer rundlichen Frau begrüßt, die hinter einem Tisch saß. Sie tippte etwas in ihren Computer und hörte auch nicht auf, als sie Mackenzie anschaute.

“Kann ich Ihnen helfen?”, fragte die Dame.

“Ich suche den Beamten Reggie Thompson”, sagte Mackenzie.

Das schien die Aufmerksamkeit der Frau zu erreichen. Sie hörte auf zu tippen und schaute Mackenzie stirnrunzelnd an. Da sie wusste, was kam, hielt Mackenzie der Dame ihr Abzeichen hin und gab ihr ihren Namen.

“Oh, ich verstehe”, sagte die Dame. “In dem Fall, tut es mir leid Ihnen mitzuteilen, dass Beamte Thompson letztes Jahr in den Ruhestand gegangen ist. Er war hier, so lange es ging, aber dann musste er aufhören. Bei ihm wurde Prostatakrebs diagnostiziert. Wie ich gehört habe, hat er den Krebs besiegt, aber die Krankheit hat ihren Tribut gefordert.

“Wissen Sie, ob er Besuch empfängt? Ich hatte gehofft, ihm ein paar Fragen über einen Fall stellen zu können, an dem er einmal gearbeitet hat.”

“Ich bin mir sicher, dass ihm das gefallen wird. Er ruft hier mindestens einmal die Woche an, um zu sehen, was los ist, …. um zu sehen, welche Art von Fälle er verpasst. Aber wenn ich Sie wäre, würde ich bis morgen warten. So wie ich von seiner Frau gehört habe, überarbeitet er sich morgens und nachmittags, also ist er gegen zwei oder drei nachmittags völlig erledigt.”

“Ich warte dann bis morgen”, sagte Mackenzie. “Vielen Dank für Ihre Hilfe.”

Mackenzie verließ die Polizeistation mit demselben Mangel an Aktivität, weswegen sie hier hergekommen war. Insgesamt hatte sie ungefähr eine halbe Stunde da drin verbracht, und obwohl sie immer noch ein wenig vom Nachmittag zur Verfügung hatte, fühlte sie sich müde. Und da Reggie Thompson es vorzog morgens aktiv zu sein, gab es keine weiteren Ausreden mehr.

Sie verlieГџ die Polizeistation und ging zurГјck zum Motel. Auf dem Weg dorthin klingelte ihr Handy und sie war froh zu sehen, dass es Ellington war. Obwohl sie nicht wirklich gerade inmitten eines Streits waren, war es immer noch seltsam mit ihm uneins zu sein.

Er tut, was richtig ist, sagte sie sich selbst. Lass den Mann in Ruhe.

Sie beantwortete den Anruf mit einem schnellen: “Hey. Wie gehts?”

“Ich habe mit mindestens ein Dutzend verschiedenen Landstreichern heute gesprochen. Ich habe eine ganz neue Bewunderung dafür, was sie durchmachen, aber ich bin auch zu dem Entschluss gekommen, dass sie nicht die verlässlichsten Quellen sind. Was ist mit dir?”

“Es geht voran”, antwortete sie, obwohl sich das wie eine Lüge anfühlte. “Ich habe mit ein paar Einheimischen gesprochen, die mir ein paar Einblicke in den Fall gegeben haben – Kleinstadt Klatsch um ehrlich zu sein, aber es ist ja immer ein Kern Wahrheit bei dem ganzen Flurfunk dabei. Ich habe mit dem Gerichtsmediziner gesprochen, der Dad’s Leiche untersucht hat, und habe dann bei der Polizeistation vor Ort gehalten, um mir die Akten anzusehen. Ich habe den Namen eines Beamten, der mit dem Fall zu tun zu haben scheint und ich werde morgen mit ihm sprechen.”




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